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10 Jahre CEO von A. Lange & Söhne: Interview mit Wilhelm Schmid

Wilhelm Schmid, CEO von A. Lange & Söhne
© PR
Seit zehn Jahren ist Wilhelm Schmid CEO von A. Lange & Söhne. Rüdiger Bucher sprach mit ihm über Herausforderungen und Erfolge sowie über die neueste Uhr.
Herr Schmid, Sie stehen jetzt seit zehn Jahren an der Spitze von A. Lange & Söhne. Was fällt Ihnen als Erstes ein, wenn Sie an diesen Zeitraum zurückdenken?Highlights wie die Vorstellung unserer kompliziertesten Uhr, der Grand Complication, im Jahr 2013 oder die Eröffnung des neuen Manufakturgebäudes mit Bundeskanzlerin Angela Merkel zwei Jahre später. Aber jetzt, da Sie fragen, fällt mir spontan mein erstes Interview als Lange-CEO ein: Man fragte mich, ob ich mir vorstellen könnte, dass unsere Uhren jemals online verkauft werden. Meine Antwort war, dass das derzeit kein Thema sei, ich aber nicht so weit in die Zukunft schauen könne, um es auszuschließen. Daraufhin wurde ich von verschiedenen Seiten heftig kritisiert, weil ich dem Thema Online-Verkauf keine definitive Absage erteilt hatte. Diese Geschichte zeigt sehr schön, wie sich die Zeiten verändert haben.
Inzwischen verkauft eine ganze Reihe von Luxusherstellern ihre Uhren online. Doch auf der Website von A. Lange & Söhne wird man zum Besuch einer Lange-Boutique oder zum Telefonat mit der Marke aufgefordert.Das wird sich bald ändern. Ab diesem Frühjahr werden wir auf unserer Website einen Onlineshop anbieten, in dem man dann auch verschiedene Modelle kaufen kann.Sie gehen also davon aus, dass man auch sehr hochwertige und teure Uhren gut übers Internet verkaufen kann?Das werden wir sehen, das hängt immer auch von der Verfügbarkeit ab. Wenn Sie mich vor einem Jahr gefragt hätten, hätte ich gesagt, dass das zwar kommt, aber vielleicht nicht ganz so schnell. Doch die Pandemie hat auf der Seite der Kunden eine spürbare Verhaltensänderung bewirkt. Und dadurch, dass diese Situation schon so lange anhält, wird diese Verhaltensänderung auch Bestand haben.
Wie erwähnt haben Sie 2013 mit der Grand Complication die bisher komplizierteste Uhr von A. Lange & Söhne vorgestellt. Wie lief dieses Projekt ab?Die Entwicklung begann genau zu der Zeit, als ich kam. Man muss die Grand Complication in einem Atemzug mit der Zeitwerk Minutenrepetition nennen. Die Geschichte beider ist eng verknüpft. Wir entschieden damals, erst die Grand Complication zu bringen. Wir wollten damit ein für alle Mal klarstellen, wozu wir in der Lage sind. Die Antwort lautete: zu allem. Und im Anschluss daran kamen wir mit einer neuen Antwort – einer Minutenrepetition, wie es sie bis dahin nicht gegeben hatte. Einer Uhr, ganz im Hier und Jetzt angesiedelt, mit keinerlei Bezug zu Vorbildern aus der Vergangenheit.Sie haben in den letzten zehn Jahren schätzungsweise 30, 40 Neuheiten eingeführt, Farb- und Materialvarianten nicht eingerechnet. Welche lagen Ihnen besonders am Herzen?Neben den beiden genannten waren das der Datograph Auf/Ab, die Lange 1 Tourbillon Ewiger Kalender und zuletzt die Odysseus.
Die Weißgold-Odysseus tragen Sie auch gerade am Handgelenk.Ja, ich trage sie seit April 2020. Und wenn ich sie bald gegen eine neue Trageuhr eintausche, werde ich sie mir kaufen und meiner Sammlung hinzufügen – genau das Modell, das ich getragen habe.Die Odysseus ist Langes erste Serienuhr in Stahl. Bevor sie 2019 vorgestellt wurde, haben sich Sammler jahrelang gefragt, ob und wann A. Lange & Söhne Stahluhren bringen würde. Wann und wie kam es zu dieser Entscheidung?Das Thema Stahl war für uns, ehrlich gesagt, sekundär. Die Serie Odysseus ist ja nicht als reine Stahluhrenlinie konzipiert; schon das zweite Modell war aus Weißgold. Es ging eher um eine Uhr, die man auch in einem robusteren Umfeld tragen kann – wobei die meisten unserer Uhren aus Gold und Platin auch absolut alltagstauglich sind. Die Einführung einer solchen Uhr setzte aber ein ausdrucksstarkes Design voraus, das sich deutlich von anderen Modellen – unseren eigenen wie denen anderer Marken – unterscheiden würde und das es uns ermöglichen würde, um dieses Modell herum eine ganze Familie zu bauen. Erst im Anschluss daran ging es um die Frage, ob wir diese Uhr in Gold oder Stahl bringen würden.Wenn Sie nur eine einzige Uhr mit auf eine einsame Insel nehmen könnten, welche wäre das?Der Datograph Auf/Ab. Das war die erste Uhr, bei deren Entwicklung ich tiefer involviert war, daher habe ich zu ihr ein sehr emotionales Verhältnis.
A. Lange & Söhne: Datograph Auf Ab © A. Lange & Söhne
Was sind Ihre Herausforderungen für die nächsten zehn Jahre?Es sind drei, und denen müssen wir uns täglich stellen. Erstens: Unsere Mitarbeiter sind in Glashütte tätig, unsere Kunden nicht. Glashütte in die Welt zu bringen – und die Welt nach Glashütte –, ist eine ununterbrochene Aufgabe, die niemals endgültig erledigt sein wird. Die zweite Herausforderung, die Bestand haben wird, ist ein Balanceakt: Auf der einen Seite wollen und müssen wir immer bekannter werden. Doch gleichzeitig ist unsere Marke etwas für Eingeweihte, für Kenner. Manches, was die Identität der Marke ausmacht, ist nicht für jeden so leicht erkennbar. Und der dritte Punkt ist die Relevanz für die junge Generation. Für uns ist es wichtig, dass auch sehr junge Menschen, die etwa zwischen 15 und 20 Jahre alt sind, erkennen, dass ihnen unsere Produkte in Zukunft durchaus etwas bedeuten und ihnen Freude bereiten können.Sie haben in Ihrer Ägide auch die Handwerkskunst-Modelle eingeführt. Was steckte hinter dieser Entscheidung?Wir haben bereits einen sehr hohen Anteil an Handarbeit in unseren Uhren. Aber es gibt immer noch Möglichkeiten der Steigerung. Mit einem Handwerkskunst-Modell können wir zeigen, was möglich ist, wenn wir die besten Fachleute und Könner aus unserem Haus versammeln und ihnen die nötige Zeit geben. Ein Tremblage-Zifferblatt etwa oder die Glashütter Hemmung in Gold, die wir in eine Zeitwerk eingesetzt hatten, können immer nur sehr wenigen Uhren vorbehalten sein. So etwas kann man nicht in einer Serienuhr umsetzen, weil der Arbeitsaufwand unverhältnismäßig hoch ist. Das Gleiche gilt für Polituren in „unmöglichen“ Winkeln oder Emaille-Zifferblätter, deren Fertigung mit einem extrem hohen Ausschuss verbunden ist. Das sind Projekte, mit denen wir zeigen können, was möglich ist, wenn man es bis zur absoluten Spitze ausreizt.
Die nächste Neuheit, die Sie vorstellen, ist die Lange 1 Ewiger Kalender. Im Gegensatz zur Lange 1 Tourbillon ewiger Kalender steht die Komplikation hier ganz für sich allein. Ist das ein neuer Trend?In der Saxonia-Linie hatten wir mit der Langematik Perpetual immer einen puren ewigen Kalender in der Kollektion; die letzte Version war aus Honiggold. In der Lange 1 gab es das noch nicht. Ich finde, der ewige Kalender ist eine der reizvollsten Komplikationen, und die in unserer Lange 1 darzustellen, zusammen mit einer Mondphase und einer Tag-Nacht-Anzeige, war uns sehr wichtig.
Das neue Kaliber L021.3 des ewigen Kalenders fußt auf dem Kaliber L021.1 der Daymatic. Warum haben Sie nicht das bestehende Kaliber L082.1 der Lange 1 Tourbillon Ewiger Kalender um das Tourbillon reduziert?Das Kaliber L082.1 ist in seinem Aufbau stark integriert. Daher haben unsere Konstrukteure es vorgezogen, das Kaliber der Daymatic als Basis zu nehmen. Die Aufgabe war es, die außen um das Zifferblatt herumlaufende Darstellung des ewigen Kalenders in das typische Gesicht der Lange 1 zu integrieren. Einige Details sind aber anders als bei der Lange 1 Tourbillon Ewiger Kalender: So befindet sich zum Beispiel bei der neuen Uhr die Tag-Nacht-Anzeige in der Mondphase und nicht auf einem kleinen Hilfszifferblatt. An solchen Feinheiten sieht man, wie wir Elemente von verschiedenen Kalibern zusammenführen, um das Gesicht einer Uhr noch klarer zu strukturieren.
Zum Abschluss drei kurze Fragen zu den vergangenen zehn Jahren: Was war Ihre größte Herausforderung?Das Jahr 2020. Wegen der Pandemie mussten wir auf einmal alles auf den Prüfstand stellen und viele Dinge gleichzeitig verändern. Wir mussten die Nähe zu unseren Kunden aufrechterhalten, ohne sie persönlich treffen zu können. Wir mussten Uhren digital launchen. Ich bin stolz darauf, wie gut das unserem Team gelungen ist.Was war Ihr größter Erfolg?Es ist vielleicht noch zu früh, das zu sagen. Aber ich glaube, die Einführung der Odysseus ist etwas, das mich lange überdauern wird.
A. Lange & Söhne: Odysseus in Edelstahl © A. Lange & Söhne
Was war Ihr schönstes Erlebnis?Die Eröffnung unseres neuen Manufakturgebäudes 2015, die Walter Lange noch erlebt hat und zu der uns auch Bundeskanzlerin Angela Merkel und Richemont-Chef Johann Rupert besuchten. Das war ein Moment, in dem sich die ganze jahrelange Arbeit in einem Moment verdichtete, dazu bei herrlichem Wetter. Diesen Tag werde ich nie vergessen.
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