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Interview: Rado-CEO Adrian Bosshard über harte Keramik und starkes Design

Rado-CEO Adrian Bosshard
© PR
Adrian Bosshard trägt schon seit 30 Jahren eine Keramikuhr von Rado. Und seit Juli 2020 ist der frühere Chef von Certina und Union Glashütte nun CEO der Designmarke aus Lengnau bei Biel. Im Gespräch mit Rüdiger Bucher erklärt Bosshard die Vorzüge der verschiedenen von Rado verwendeten Keramikarten und das außergewöhnliche Design.
Herr Bosshard, Rado ist bekannt für seine kratzfesten Gehäuse, vor allem aus Keramik. Was sind die Vorteile eines Keramikgehäuses?Wenn man einmal eine Keramikuhr getragen hat, dann verliebt man sich sofort in das Material. Ein wichtiger Vorzug ist der Tragekomfort: Das Material nimmt schnell die Körpertemperatur an und ist angenehm leicht. Man spürt die Uhr nicht am Handgelenk. Gleichzeitig sind Keramikuhren auch vom Design her etwas Besonderes. Und durch die Kratzfestigkeit sieht eine Uhr nach Jahren noch wie neu aus.
Sie entwickeln die verschiedenen Keramiken zusammen mit dem Schwesterunternehmen Comadur, das auch zur Swatch Group gehört. Was genau ist der Part von Comadur?Zunächst einmal haben wir bei Rado intern viel Kompetenz in Bezug auf Produktion, Engineering, Technologie, Materialien. Dadurch entstehen viele Produktideen direkt bei uns. Die Herstellung unserer Keramikgehäuse und -bänder selbst erfolgt vollumfänglich bei Comadur. Dort stehen alle Maschinen, die wir für die Produktion benötigen, und es gibt eine große Anzahl von Ingenieuren, mit denen wir uns ständig austauschen. Comadur arbeitet zwar nicht nur für uns, aber bei Rado ist Keramik das wichtigste Material. Dementsprechend ist unsere Zusammenarbeit mit Comadur eng, und wir teilen alle unsere Ideen mit ihnen.
Rado nennt seine Keramik „Hightech-Keramik“. Wie unterscheidet sie sich von herkömmlicher Keramik?Im Gegensatz zu traditioneller Keramik, die das Ergebnis der Hochtemperaturverfestigung natürlicher Rohstoffe wie Quarz, Feldspat oder Kaolin ist, werden bei der Hightech-Keramik extrem reine und feine Pulver verwendet. Diese führen – im Gegensatz zu traditioneller Keramik, die porös bleibt – zu einem vollkommen dichten Material, das sich insbesondere durch eine hohe Kratzfestigkeit auszeichnet. Aus diesem Grund ist es möglich, die Hightech-Keramik zur Herstellung von Uhren zu verwenden.Als weitere Materialien verwendet Rado Plasma-Keramik und das sogenannte Ceramos. Was hat es damit auf sich?Unsere Plasma-Hightech-Keramik vereint die Qualitäten von Hightech-Keramik mit dem einzigartigen Glanz von Metall, obwohl bei der Fertigung keinerlei Metall verwendet wird. Durch ein spezielles Verfahren wird die Zusammensetzung der Oberfläche durch die Zugabe von Kohlenstoff verändert. So entstehen polierte, gebürstete oder mattierte Oberflächen mit metallischem Glanz. Das ermöglicht zum einen eine große Vielfalt im Design, zum anderen bleibt der Glanz jahrelang bestehen, weil die äußere Schicht nicht hinzugefügt wird, sondern Teil des Materials selbst ist. Plasmabehandelte Keramik hat die gleiche Härte, Kratzfestigkeit, Hautverträglichkeit und das geringe Gewicht von Hightech-Keramik.
Rado: True Square Automatic © Rado
Ceramos wiederum ist ein innovativer Verbundwerkstoff, der das Beste aus zwei Welten vereint: die Härteeigenschaften eines hohen Keramikanteils sowie die Zähigkeit und den Glanz einer Metalllegierung. Ceramos ist in gewisser Hinsicht eine Weiterentwicklung von Hartmetall. Zu Beginn konnte dieses Material nicht im Spritzgussverfahren geformt werden, doch 2011 ­entwickelte Rado eine Technologie, um dieses Material injizierbar zu machen. Diese spritzfähige Version trägt die Bezeichnung Ceramos. Durch das Spritzgießen müssen wir anschließend viel weniger mechanisch bearbeiten, außerdem ermöglicht uns die Flexibilität des Materials neue Möglichkeiten im Design.
Manche Leute haben Angst, dass das Gehäuse bricht, wenn sie ihre Keramikuhr fallen lassen. Worauf müssen Besitzer besonders achten?Unsere Hightech-Keramik wird einerseits mit einer speziellen Legierung hergestellt, die bewirkt, dass das Material zäh wird. So ist ­sichergestellt, dass die Uhren nicht nur sehr hart und kratzfest sind, sondern auch sehr stabil und kaum brechen. Außerdem durchlaufen alle unsere Uhren anspruchsvolle Qualitätstests inklusive Sturztests. Unsere Erfahrungen mit dem Kundendienst zeigen, dass es bei Rado keine Probleme mit Brüchigkeit gibt.Welche Farben sind mit Keramik möglich, welche nicht?Unterschiedliche Farben ergeben sich durch eine veränderte Zusammensetzung der Keramikkomponente oder der Metallkomponente. Eine große Herausforderung, die wir zusammen mit Comadur gemeistert haben, war die erfolgreiche Herstellung einer roten Keramik. Das galt früher als unmöglich. Ein anderes Beispiel ist das goldfarbene Ceramos: Hierfür verwenden wir Titannitrid, das von Natur aus goldfarben ist. 2012 haben wir bei verschiedenen Produktlinien einen neuen Roségoldton eingeführt.
Auch wenn Rado für Keramik steht, war die Marke zuletzt mit einer ganz anderen Uhr erfolgreich: der Captain Cook, einer Retro-Uhr in Edelstahl und Bronze. Wie kam das?Die Captain Cook hat mit ihrem Design im Stil der Sixties den Zeitgeist exakt getroffen. Und was uns stolz macht: Dieses Modell entstammt unserer eigenen Geschichte. Wir haben das Glück, dass sich in unserer Historie einige Ikonen finden. Die Captain Cook, die ­zuerst 1962 auf den Markt kam, haben wir 2017 in einer Sonderserie im gleichen Durchmesser wie damals, 37 Millimeter, neu aufgelegt und sie war sofort ausverkauft. Wir haben sie danach mit einer Größe von 42 Millimetern an die heutige Zeit angepasst und sie mit den neuesten Technologien ausgestattet, die uns bei Rado und in der Gruppe zur Verfügung stehen: einem Automatikwerk mit 80 Stunden Gangreserve, einem Saphir-Boxglas sowie einer Keramiklünette. Ich denke, die Faszination dieser Uhr kommt aus der Verbindung von Vintage-Design und modernsten Technologien.Wäre es nun nicht ein sinnvoller nächster Schritt, die Captain Cook auch mit Keramikgehäuse zu bringen?Die Keramiklünette des aktuellen Modells ist bereits ein Bindeglied zwischen unserer Geschichte und der Gegenwart. Aber ich verrate Ihnen jetzt etwas: Im April werden wir eine neue Captain Cook mit Gehäuse und Band aus Hightech-Keramik lancieren. Ich zeige Ihnen den Prototypen, aber leider gibt es noch keine Bilder zum Veröffentlichen.
Rado steht auch für formstarkes Design und arbeitet seit Jahren immer wieder mit bekannten Designern wie Jasper Morrison oder Konstantin Grcic zusammen. Werden Sie diese Form der Kooperation weiter pflegen?Rado war in Sachen Design immer mutig. Dafür stehen viele ikonenhafte Modelle seit den sechziger Jahren, denken Sie nur an die DiaStar von 1962 oder die Integral von 1986. Der Großteil unseres Designs wird intern entwickelt, die Ideen für die meisten Modelle kommen aus dem Produktmanagement. Aber wir holen uns immer wieder auch Anregungen von außen. Bei der Zusammenarbeit mit Externen bildet immer ein bestehendes Modell die Basis, wobei der Gestalter sie auf seine eigene Weise interpretiert, was für uns sehr bereichernd ist. Anlässlich der Rado Design Week im Dezember 2020 haben wir vier verschiedene Modelle mit unterschiedlichen Designern lanciert. Wir werden auch in Zukunft ein bis zwei solcher Modelle pro Jahr auf den Markt bringen.
Sie waren jahrelang CEO von Certina und Union Glashütte und stehen jetzt seit wenigen Monaten an der Spitze von Rado. Was reizt Sie an dieser Aufgabe am meisten?Zum einen ist Rado eine globale Marke, die in fast allen Ländern präsent ist. Zum anderen besitzt Rado in vielen Märkten eine sehr starke Position, gleichzeitig gibt es aber andere Märkte, in denen ich großes Potenzial für unsere Marke sehe. Das allein finde ich sehr reizvoll. Ich bin aber auch persönlich ein überzeugter Rado-Träger. (Er nimmt die Uhr von seinem rechten Handgelenk und reicht sie mir; an seinem linken trägt er die aktuelle Captain Cook in Bronze.) Diese Integral habe ich mir 1991 gekauft und trage sie immer noch gern. Wie Sie sehen, hat sie kaum Tragespuren und sieht fast aus wie neu. Als Herr Hayek (Swatch-Group-CEO Nick Hayek, die Red.) mich im Juni fragte, ob ich mir vorstellen könnte, Rado zu führen, musste ich nicht lange nachdenken. Und vor allem musste ich mich keine Sekunde lang von der Marke überzeugen lassen. buc

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