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Die Stoßsicherung – der Fallschirm des mechanischen Uhrwerks

Rolex: Daytona-Kaliber 4130
© PR
Eine kleine Unvorsichtigkeit – und schon ruht alles Leben: Ein Stoß, ein Schlag oder gar ein Sturz können für ein mechanisches Uhrwerk tödlich sein – wenn es nicht durch eine sogenannte Stoßsicherung geschützt wird. Die heute gebräuchlichsten werden von den Schweizer Firmen Incabloc und KIF Parechoc gefertigt.
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Eine Incabloc-Stoßsicherung © PR
Es gibt einen Namen in der Geschichte der Uhrmacherei, der legendär ist. Keinem anderen begegnet man so oft wie ihm: Abraham Louis Breguet. Niemand ist so einfallsreich wie er, hat die Uhrmacherei so nachhaltig verändert und ihr so viele bis heute gültige Neuerungen gebracht. Zu den zahlreichen Erfindungen des Meisters zählt auch eine Stoßsicherung für die Unruhzapfen eines mechanischen Uhrwerks. Diese Zapfen, zu denen sich die Unruhwelle zu beiden Seiten hin verengt, sind besonders dünn. Das hat seinen Sinn: Je dünner die Zapfen, desto weniger Reibung entsteht zwischen Zapfen und Lager. Im Verhältnis dazu ist die Unruh aber relativ schwer, sodass sich hier ein besonders verletzlicher und gefährdeter Schwachpunkt der Uhr befindet.

Die Stoßsicherung mechanischer Uhren geht auf Abraham Louis Breguet zurück

Ein unglücklicher Stoß, ein Aufprall der mechanischen Uhr genügt, und schon können die Unruhzapfen abbrechen. 1790 fällt Breguet eine erste Lösung des Problems ein. Zunächst verkürzt der erfindungsreiche Uhrmacher die Zapfen und gibt ihnen eine trompetenartige Form – deshalb nennt man Unruhzapfen übrigens auch Trompetenzapfen. Schließlich verfällt Breguet darauf, einen kleinen Deckstein auf einem Federblatt zu befestigen, sodass sich die Unruh bei einem Stoß in axialer Richtung bewegen kann. Nach dieser Beanspruchung kehrt der Deckstein in seine ursprüngliche Lage zurück und die Uhr läuft unbeschadet weiter. Breguet hat auch den passenden Namen für diese elastische Unruhaufhängung parat: Er nennt sie „parachute", zu Deutsch Fallschirm. Heute lautet die französische Bezeichnung für eine Stoßsicherung „parechoc". Breguets eigentlich simple und doch so großartige Erfindung ist der Vorläufer der heute gebräuchlichen Stoßsicherungen. Denn verschiedene Fabrikanten und Konstrukteure tun es dem großen Meister nach und entwickeln auf der Basis seiner Erfindung Stoßsicherungen. Von denen setzen sich jedoch nur einige allgemein durch: Die heute häufigsten Stoßsicherungssysteme für mechanische Uhrwerke stammen von zwei Schweizer Firmen, der KIF Parechoc SA in Le Sentier und der Incabloc SA in La Chaux-de-Fonds.
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Schutz für die Unruhzapfen: Die Incabloc-Stoßsicherung als Ganzes und im Detail, Loch- und Deckstein mit lyraförmiger Feder © PR
Die Produkte dieser beiden Hersteller schützen die Unruhwelle nach dem gleichen Prinzip: Loch- und Deckstein, in denen der Zapfen der Unruhwelle dreht, sind federnd gelagert. Das heißt, dass eine Feder den lose liegenden Deckstein in eine Lagerschale presst. Die Folge: Der zur Verringerung der Reibung relative dünne Zapfen gibt die Bewegungsenergie an ihre Lagerung weiter und kann bei starken Stößen seitlich und vertikal ausweichen. Die Funktion der Feder, welche die Lagersteine hält, geht über diesen Schutz sogar noch hinaus. Durch ihre rückführende Kraft sorgt sie dafür, dass die Zapfen der Unruhwelle nach einer Erschütterung wieder richtig positioniert werden. Weitere wichtige Eigenschaften einer Stoßsicherung sind laut KIF Parechoc SA neben der guten Schockabsorption und dem richtigen Zentrieren der Unruhachse nach einer Erschütterung das gute Halten eines Öltropfens auf dem Deckstein, eine leichte Öffnung der Feder, ohne dass die ganze Stoßsicherung ausgeschlagen werden muss, sowie eine angemessene Größe des kompletten Systems.
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Oben, schräg oder seitlich: Die Incabloc-Stoßsicherung federt jede Erschütterung ab und schützt den Unruhzapfen © PR
Übrigens genügt es, auf diese Weise nur die Unruhwelle zu schützen; die Wellen der Werkräder sind robuster und werden auch bei starken Stößen nur selten beschädigt. Sie drehen sich daher in starren Lagern. Doch zurück zu den Protagonisten der Stoßsicherung: Incabloc und KIF Parechoc. Ersteres Unternehmen geht auf den in den 1920er- und 1930er-Jahren entwickelten und verbesserten Stoßdämpfer für Unruhwellen zurück. Bis heute wird dieses System von Incabloc in Details verbessert, auch die Herstellung wird immer effizienter gestaltet und in verschiedenen Schritten automatisiert – doch das Prinzip der Stoßsicherung hat sich dabei nicht verändert.

Die Incabloc-Stoßsicherung besitzt eine lyraförmige Feder

Charakteristisch für die Incabloc-Stoßsicherung ist eine leier- beziehungsweise lyraförmige Feder, welche Lager- und Deckstein in Position hält und an zwei Punkten berührt. Diese Feder kann aufgeklappt werden, damit Loch- und Deckstein zum Reinigen und Ölen entnommen werden können.
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Geöffnet: Die lyraförmige Feder der Incabloc-Stoßsicherung gibt Lager- und Deckstein frei © PR
Dies sind nur einige Teile eines ausgeklügelten Ganzen: Gängige Stoßsicherungssysteme bestehen in der Regel aus je fünf Teilen für den oberen beziehungsweise unteren Unruhzapfen. Basis ist ein ringförmiger Support aus Hartmessing, der in den Unruhkloben beziehungsweise in die Platine eingelassen ist und die anderen Teile hält. Seine Innenbohrung umfasst zwei konische Flächen, die den ebenfalls konischen Außenflächen des Futters entsprechen. In dieses Futter ist ein olivierter, fest sitzender Lochstein eingepresst, in dem sich der Zapfen dreht.
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Das Werk für Hamilton auf Basis des Eta-Valjoux 7753 besitzt eine Incabloc-Stoßsicherung © PR
Die Innenbohrung des Support und das äußere Profil des Lochstein-Chatons (Futter) gewährleisten die selbsttätige Zentrierung des Zapfens. Über allem liegt ein ungebohrter Deckstein, der auf der Seite des Unruhzapfens flach und nach außen gewölbt ist. Dieser Deckstein wird durch den Druck einer flachen Feder an seinem Platz gehalten. Die Feder ist in das Oberteil des Supports eingespannt und besteht aus vernickeltem oder vergoldetem Spezialstahl.
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Im Querschnitt: Innenleben der Incabloc-Stoßsicherung in Ruhe (links) und bei Belastung (rechts) © PR
Dessen genaue Zusammensetzung wird bei Incabloc wie ein Schatz gehütet. Auf Anfrage heißt es, dass das Material der Lyrafeder geheim ist. Dort werden der Block und die Unruhzapfen durch Formdreherei – die sogenannte Décolletage – mit Hilfe moderner Drehautomaten aus Messing hergestellt. Die Lyrafedern werden ausgestanzt. Die Lager- und Decksteine werden in den benötigten Maßen zugekauft. Der Zusammenbau erfolgt zum Teil maschinell, zum Teil von Hand.

KIF Parechoc fertigt Stoßsicherungen mit Metallfedern 

Bei KIF Parechoc erfolgt die Herstellung nach ähnlichem Prinzip. Das Unternehmen mit Sitz in Le Sentier ist auf Stoßsicherungen mit Metallfedern für Luxusuhren spezialisiert – man arbeitet zum Beispiel fast für die gesamte noble Nachbarschaft im Vallée de Joux. Immerhin kann man auf über 60 Jahre Erfahrung verweisen: KIF Parechoc produziert seit 1944 Stoßsicherungssysteme; auch Rückervorrichtungen zählen zum Angebot des Unternehmens. Äußerst innovativ hat man diese beiden Systeme miteinander kombiniert: Das Unternehmen bietet eine Garnitur an, bei der die Rückervorrichtung mit einer fest montierten Stoßsicherung verbunden ist.
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Detailansicht: Alle Bauteile einer KIF-Stoßsicherung, oben und unten sind die Steine und die Federn zu erkennen © PR
Mit Ausnahme der synthetischen Rubine, also der Uhrensteine, die KIF Parechoc bei Schweizer Zulieferern einkauft, werden alle Einzelteile der KIF-Stoßsicherung im eigenen Haus hergestellt und endbearbeitet. Die Messingteile werden in der modernen Dreherei gefertigt und je nach Produkt und Kundenwunsch vernickelt oder vergoldet. Auch die Federn – in der Regel aus Stahl – werden im eigenen Haus hergestellt. Sie werden gestanzt und anschließend zum Härten thermisch und zur Vernickelung oder Vergoldung galvanisch behandelt. Die Fertigung von Futter und Stoßsicherungssupport verlangt dabei stets höchste Präzision. Toleranzen im Bereich von 0,003 Millimetern müssen eingehalten werden. Das gilt auch für die Hersteller der zugekauften Uhrensteine: Diese müssen nach den genauen Vorgaben von KIF Parechoc arbeiten und ebenso enge Toleranzen einhalten.
Nicht weniger kompliziert als die Herstellung der Einzelteile ist deren Montage zur kompletten Stoßsicherung. Bei KIF Parechoc erfolgt der Zusammenbau in eigens dafür eingerichteten Werkstätten entweder von Hand oder halbautomatisch – je nach Art der Stoßsicherung und der benötigten Menge. Denn das Unternehmen fertigt sogar kleine Stückzahlen besonderer Systeme nach Kundenwunsch. Damit selbst ausgefallene mechanische Uhrwerke bestens vor Stößen und Erschütterungen geschützt sind.
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Schockabsorber: Eine KIF-Stoßsicherung während ihres schützenden Einsatzes © PR
Unruh Uhrwerk Archiv

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