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A. Lange & Söhne: neues Gebäude, mehr Platz, mehr Uhren?

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Ende August weihte die Luxusmarke A. Lange & Söhne feierlich ihr neues Manufakturgebäude in Glashütte in Sachsen ein. Der Eröffnung wohnten auch Bundeskanzlerin Angela Merkel und Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich bei. Für den 5.400 Quadratmeter großen Neubau wurde ein zweistelliger Millionenbetrag investiert und so ließ es sich auch Johann Rupert, der Chairman und größte Einzelaktionär der Richemont-Gruppe zu der die Manufaktur gehört, nicht nehmen, bei der Einweihung dabei zu sein. Melanie Feist, Online-Redakteurin von Watchtime.net, besichtigte das neue Gebäude und nutzte die Gelegenheit, Wilhelm Schmid, den CEO von A. Lange & Söhne, zum Neubau zu befragen. Herr Schmid, welche Uhr tragen Sie heute, und was muss sie neben der Zeit noch anzeigen können? Heute trage ich den Datograph Perpetual mit grauem Zifferblatt, den wir auf dem diesjährigen Genfer Uhrensalon eingeführt haben. Für mich muss eine Uhr neben der Zeit ganz klar das Datum anzeigen können. Ich erwische mich mehrmals täglich dabei, dass ich auf die Uhr schaue, um das Datum abzulesen. Eigentlich blöd, das ändert sich ja den ganzen Tag nicht, aber vielleicht bin ich es einfach gewohnt, auf die Uhr zu schauen.
Wilhelm Schmid, CEO von A. Lange & Söhne, © PR
Schmückt momentan das Handgelenk von Wilhelm Schmid: der Datograph Perpetual mit grauem Zifferblatt © PR
A. Lange und Söhne stellte soeben den Bau eines neuen Manufakturgebäudes fertig, in einem Interview mit Chronos-Chefredakteur Rüdiger Bucher sprachen Sie aber davon, dass Lange-Uhren immer rar bleiben werden. Wie passt das mit dem neuen Manufakturgebäude zusammen? Wir haben lange nach einem Gebäude gesucht, das Uhren baut, fanden es aber nicht. Wir mussten einfach feststellen, dass Glas, Stahl und Beton keine Uhren bauen können. Denn das machen nur Menschen. Und da wir mit dem Einzug in die neue Manufaktur genauso viele Menschen an Bord haben wie vorher, ergibt sich eigentlich logisch, dass wir nicht mehr Uhren bauen. Es ist allerdings auch klar, dass wir in der Vergangenheit in sehr begrenzten Platzverhältnissen gearbeitet haben. Damit verlangten wir unseren Mitarbeitern eine Menge ab. Es war definitiv nötig, sich zu vergrößern, um zu sagen: „Ja, wir sind bereit für die Zukunft.“ Wir hätten auch in den alten Gebäuden bleiben können. Das wäre aber ebenfalls ein sehr klares Statement gewesen, nämlich: „Ja, wir halten den Status quo.“ Doch welche Vorteile das neue Gebäude bietet, in das wir bereits seit April Stück für Stück eingezogen sind, konnten wir in diesen Sommer sehr klar erfahren. Wer in diesem Sommer in Dresden und Glashütte war, der weiß, dass es unglaublich lange unglaublich warm war. Wenn man sich in den alten Gebäuden aufhielt, wo die Fenster aufgrund der hohen Temperaturen geöffnet werden mussten und eine hohe Luftfeuchtigkeit herrschte, und dann in das neue Gebäude ging, war eine gleichbleibende Temperatur und Luftfeuchtigkeit festzustellen. Wir haben also in bessere Arbeitsbedingungen, in einen besseren Kommunikationsfluss und definitiv in eine noch höhere Qualität investiert.
Das neue Manufakturgebauede von A. Lange & Söhne bietet eine Produktionsfläche von 5.400 Quadratmetern und wird umweltschonend über eine Geothermie-Anlage beheizt und gekühlt. © PR
Große Fenster sorgen im neuen Gebäude für viel Licht in den Arbeitsräumen. © PR
Dennoch, einige Arbeitsplätze waren noch nicht besetzt. Ist das ein Hinweis, auf eine mögliche Erhöhung der Stückzahlen und kürzere Wartezeiten auf die Uhren? Wir sind ja noch nicht fertig mit dem Umzug. Einige Abteilungen warten noch darauf, die neuen Räumlichkeiten zu beziehen. Wir sind erst einmal mit den wichtigsten Abteilungen für die Uhrenproduktion umgezogen. Aber das Gebäude wird sukzessive voll werden. Zugegebenermaßen, wir haben natürlich eine Reserve einkalkuliert. Man muss ja nicht immer genau sobauen, dass es zwar momentan passt, wir aber nach dem Bau wieder von vorne beginnen können. Aber grundsätzlich ist die Menge an Uhren, die A. Lange & Söhne produziert, durch zwei Themen begrenzt: erstens durch unseren Anspruch an die Qualität und an die Handarbeit und zweitens durch unsere Kapazitäten, neue Uhrmacher, Finisseure, Graveure, Emailleure, Maschinenführer und Werkzeugmacher auszubilden. Das eine ohne das andere geht nicht.
Mit dem neuen Manufakturgebäude gibt es in den Werkstätten mehr Licht und mehr Platz für die Mitarbeiter. © PR
Bei Patek Philippe sind etwa 30 Prozent der Uhren Damenuhren mit Quarzwerk. Wäre das für Sie auch eine Option, um weiter wachsen zu können? Ich kann Ihnen nur sagen, Quarzuhren spielen für uns keine Rolle. Das ist nichts, das wir strategisch anstreben und kein Feld, in dem wir uns bewegen möchten. Sie waren lange Zeit für den Automobilhersteller BMW tätig. Macht es einen Unterschied, ob Sie hochwertige Uhren oder Autos verkaufen? Auf jeden Fall. Jeder, der sagt „das ist das Gleiche“, der ist meiner Meinung nach im falschen Beruf. Das Gleiche ist es nie. Ich glaube, dass Autos – wenigstens für Männer – sehr eng mit dem Begriff Begeisterung verbunden sind und das ist wiederum bei Uhren sehr ähnlich. Es sind beides Produkte, die emotional berühren. Das hat mir bei Autos schon Spaß gemacht. Und das macht es mir auch heute noch. Ich bin glaube ich das, was man landläufig einen „Petrolhead“ nennt. Einem schönen Auto kann ich auch heute nur schwer widerstehen. Aber dasselbe empfand ich auch zu meiner Autozeit schon für Uhren und kaufte auch jede Menge davon. Wichtig ist, dass man alles, was man macht, mit Begeisterung macht. Und dabei muss das Produkt im Vordergrund stehen. Für mich fängt alles mit einem guten Produkt an. Wenn Sie das nicht haben, ist es kein nachhaltiges Business-Modell.
Das Thema Auto und Uhr findet sich auch bei A. Lange & Söhne wieder. Die Manufaktur ist einer der Sponsoren des Concorso d'Eleganza Villa d'Este, einem Oldtimer-Treffen am Comer See. Der Gewinner 2015 erhielt das abgebildete Sondermodell der Lange 1 Zeitzone. © PR
Die Lange 1 gilt als Uhrenikone, es gab sicher keine Probleme im Abverkauf. Dennoch schenkten Sie ihr ein neues Werk. Wie wichtig sind solche Weiterentwicklungen? Die war in diesem Fall sehr wichtig. Das Werk in der bisherigen Lange 1 haben wir Anfang der 1990er-Jahre entwickelt und seit 1994 produziert. Es ist ein offenes Geheimnis, dass wir seitdem eine Menge gelernt haben, auch viele Sachen selber machen, die wir früher so nicht konnten. Jetzt war die große Frage, ob wir es akzeptieren wollen, dass in der Unruh, also im Herz unserer Ikone, in der Uhr, die uns am meisten auszeichnet, ein zugekauftes Teil verbaut ist oder machen wir es neu. So haben wir beschlossen, es neu zu machen. Doch, wenn Sie mit unseren Produktentwicklern über etwas Neues reden, dann müssen Sie nicht glauben, dass sie es nur dabei belassen. Da bekommen Sie in aller Regel etwas ganz Neues. Und genauso ist es natürlich bei der Lange 1 gekommen: „Bei der Gelegenheit machen wir auch noch das Datum springend und dann wollen wir auch einen Abschaltmechanismus für die Gangreserve haben, damit sie am Ende nicht anfängt, zu schwanken.” Naja, Ende vom Lied: Wir hatten ein neues Werk. Ich kenne das mittlerweile schon, es hat mich also nicht überrascht. Aber wir hielten den Schritt definitiv für richtig und wichtig. Und daran, dass das Design überhaupt nicht verändert wurde, erkennt man am besten, dass die Uhr keinerlei Absatzprobleme hatte. Wir wollten einfach das Herz der Lange 1, die für uns so wichtig ist, genauso eigenfertigen, wie wir es bei allen anderen Uhren auch tun.
Bei der neuen Lange 1 springt das Datum augenblicklich, die Feinregulierung erfolgt über Unruhgewichte und die Unruhspirale fertig A. Lange & Söhne selbst. © PR
Das neue Kaliber L121.1 löst das 21 Jahre alte Kaliber L901.0 ab © PR
Chronos-Redakteur Jens Koch hat die neue Lange 1 bereits getestet. Wie sie abschneidet, erfahren Sie in unserem Download für 2,90 Euro. Mit dem F. A. Lange Scholarship & Watchmaking Excellence Award veranstalten Sie einen internationalen Wettbewerb für Nachwuchsuhrmacher. Wie schwierig ist es, guten Nachwuchs zu finden? Es ist immer eine Herausforderung. Wir können uns aber über die Bewerbungsanzahl nicht beschweren. Allerdings ist es ein langes und mühsames Geschäft. Denn es gilt, drei Sachen relativ früh herauszufinden, damit man nicht nur ausbildet, sondern auch nachhaltig Menschen an das Unternehmen bindet. Dafür ist ein grundsätzliches Verständnis von Physik, Mathematik und Mechanik notwendig. Das können Sie relativ einfach über die Schulnoten oder interne Tests abfragen. Der zweite Punkt ist die Feinmotorik. Wie gut sind die Bewerber mit ihren Händen? Das überprüfen wir über Praktika oder kleine Tests. Und dann gibt es eine dritte Komponente, die für uns mindestens genauso wichtig ist, wie die anderen beiden: Passt der Bewerber, die Bewerberin vom Charakter, von der Begeisterung und von den Ansprüchen zu uns? Das ist ein ganz wichtiger Punkt, wenn man mehr als nur ausbilden will. Wir betreiben eine Menge Aufwand, um die Bewerber auf diese drei Punkte zu überprüfen. Bisher ist uns das immer sehr gut gelungen. Wenn man die aktuelle Diskussion in Deutschland verfolgt, kann ich nur sagen: Sobald die Politik die Weichen stellt, glaube ich nicht, dass wir ein Fachkräfteproblem haben werden. Wenn wir nach wie vor ausbilden und wenn die politischen Rahmenbedingungen gesetzt werden, dann kann uns das durchaus in die Karten spielen.
21 neue Azubildende lernen seit Ende August 2015 den Beruf des Uhrmachers oder Werkzeugmachers. © PR
Wie werden Ihrer Meinung nach potentielle Käufer auf A. Lange & Söhne als Marke aufmerksam? Erfahrungsgemäß beschäftigen sich Menschen, die so viel Geld für eine Uhr auszugeben bereit sind, mit dem Thema relativ hinreichend und ausgiebig. Eine Uhr von A. Lange & Söhne ist auch selten ihre erste Uhr. Unsere Käufer sind meist schon durch die Uhren-Hierarchie gegangen und haben irgendwann für sich entschieden: „…und jetzt kaufe ich mir etwas in der Königsklasse“. Da gibt es verschiedene Marken, aber, wenn man wirklich darüber nachdenkt, sind es gar nicht so viele. Der, der sich damit beschäftigt, nutzt Medien wie Uhrenfachzeitschriften, Uhren-Webseiten, Blogs und Foren oder fragt Freunde und Bekannte um Rat und Empfehlung. Und genau in diesem Umfeld, findet die Kaufentscheidung statt. So haben wir es in der Vergangenheit erfahren. Und warum entscheidet sich der Käufer für die Uhr von A. Lange & Söhne? Es ist eine Kombination aus verschiedenen Faktoren, nie einer allein. Durch die Gespräche, die ich mit Sammlern und Uhrenfreunden geführt habe, konnte ich feststellen, dass insbesondere Menschen eine Lange-Uhr kaufen, die vieles von dem, was sie machen, für sich machen – und nicht für andere. Sie sind über den Punkt hinweg, dass sie andere durch den Erwerb von etwas Begehrenswertem beeindrucken müssen. Das heißt, diese Menschen wollen Understatement. Im gleichen Atemzug lieben sie die Mechanik. Sie wollen den Glasboden, um in die Schönheit des Werkes eintauchen zu können. Sie wollen genau sehen, was da gemacht wurde. Die Mechanik, nicht nur in ihrer Funktion, sondern in ihrer Ästhetik, ist ein ganz wichtiger Punkt. Der dritte Aspekt ist die Werthaltigkeit. Wenn ich soviel Geld für eine Uhr investiere, dann möchte ich auch davon überzeugt sein, dass ich dabei kein Geld verliere. Meiner Erfahrung nach sind das drei der Kaufargumente, die oft herangezogen werden, wenn jemand den Erwerb einer Uhr von A. Lange & Söhne vor seiner Frau rechtfertigen muss. Wie sieht die Zielgruppe für Lange-Uhren aus und wie würden Sie den Käufer beschreiben? Ich würde mich ganz klar davon distanzieren, dass wir Uhren für eine bestimmte Gesellschaftsschicht herstellen. Die meisten Menschen, die unsere Uhren, auch wenn sie sich diese nicht leisten können, toll finden, beschäftigen sich mit dem Thema. Ich glaube, das ist der gemeinsame Nenner aller Käufer. Wenn ich also eine Zielgruppe definieren müsste, dann würde ich sagen „Wissende“. Also Leute, die sich damit beschäftigen und etwas von mechanischen Uhren verstehen. Dazu gehört in jedem Fall auch eine gewisse Technikverliebtheit. Was sind die Pläne für die nächsten 5 Jahre? Wird es weitere Bauprojekte geben? Wir machen die alten Gebäude nicht leer, wir schieben aber herum. Das ist wie bei der Festplatte eines Computer. Sie müssen erst Raum schaffen, damit sie ihn sauber machen und dann nutzen können. Ich gehe davon aus, dass wir in den nächsten drei bis fünf Jahren damit beschäftigt sind, die alten Gebäude zu sanieren, denn ihre Struktur ist oft 100 Jahre alt und das, was an Technik drinsteckt, ist mindestens 20 Jahre alt. Das müssen wir also komplett überholen, renovieren und restaurieren. Das hält uns für die nächsten Jahre gut auf Trab.
Das Stammhaus von A. Lange & Söhne wurde 1873 erbaut. © PR
Das Interview führte Melanie Feist.

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