Uhren von A. Lange & Söhne sind begehrt und selten. Um die Kapazitäten zu erhöhen, baut man in Glashütte ein neues Fertigungsgebäude. Im Interview mit Chronos-Chefredakteur Rüdiger Bucher (Interview aus Chronos 01.2013) spricht A. Lange & Söhne CEO Wilhelm Schmid über seine Pläne für die Zukunft.
Herr Schmid, ich kann mich erinnern, dass vor etwa zehn Jahren rund 45 Ihrer damals vielleicht 60 Verkaufspunkte in Deutschland lagen. Heute haben Sie weltweit über 200 Verkaufspunkte, davon 42 in Deutschland – ein Fünftel statt drei Viertel. Wie wichtig ist der deutsche Markt für Sie heute noch?
Wir haben in den letzten Jahren stark daran gearbeitet, die Marke weltweit aufzustellen. Wir fokussieren uns auf Europa, Asien und Amerika und sind lediglich auf dem afrikanischen Kontinent – noch – nicht vertreten. Deutschland ist nach wie vor einer unserer wichtigsten Märkte und wird es bleiben. Wir sind auch hierzulande gewachsen, denn wir generieren mit weniger Verkaufspunkten als früher deutlich mehr Umsatz. Für unsere Handelspartner hat das wiederum den Vorteil, dass wir ihnen ein noch besseres Geschäftsmodell bieten als vor einigen Jahren.
In Deutschland klagen die Fachhändler aber darüber, dass sie nicht so viele Lange-Uhren bekommen, wie sie verkaufen könnten.
Auf einer internationalen Händlertagung vor einigen Wochen sagte ich zu diesem Thema: Solange die Händler klagen, dass wir zu wenige Uhren liefern, haben wir alles richtig gemacht. Dem Anspruch, dass jede Uhr immer genau dann zur Verfügung steht, wenn sie gebraucht wird, werden wir nicht entsprechen können. Das ist nicht unsere Philosophie. Unsere Uhren werden auch in Zukunft rar bleiben; unter anderem deswegen, weil wir unseren Qualitätsanspruch nicht herabsetzen wollen.
Ich kenne die Ansprüche unserer deutschen Händler, darf aber daran erinnern, dass wir im Rahmen unserer Gesamtdistribution proportional genügend Ware für den deutschen Markt bereitstellen. Man darf aber eines nicht vergessen: Wenn ein Händler verstärkt auch an Touristen aus anderen Ländern beziehungsweise Kontinenten verkauft, bleibt ihm zu wenig für seine Stammkunden übrig.
Sie können die Produktion nicht beliebig ausweiten, weil sie sehr aufwendig ist und viel Handarbeit zum Tragen kommt. Das steigert auf der einen Seite die Begehrlichkeit, was gut für die Marke ist. Allerdings riskieren Sie damit auch, dass der Kunde im Laden eine Uhr einer anderen Luxusmarke kauft.
Das ist richtig. Im Prinzip kann ich mich nur bei unseren Endkunden entschuldigen: Es ist nicht gewollt, dass unsere Kunden auf ihre Uhr warten müssen. Der Grund liegt letztlich in unserem Anspruch, nur höchste Qualität zu liefern. Aber wir können unsere Produktionskapazitäten nicht beliebig erweitern. Der Anteil der Handarbeit ist außergewöhnlich hoch. Und wir haben eine hohe Eigenfertigungstiefe. Deswegen erweitern wir auch unsere Produktion. Wir haben vor zwei Monaten mit einem Neubau in Glashütte begonnen, der gegenüber dem bisherigen Manufakturgebäude, auf der anderen Straßenseite, entsteht. Dort werden wir künftig den größten Teil unserer Produktion unterbringen. Beide Gebäude werden über einen Steg, der über die Straße führt, miteinander verbunden sein.
Wann können Sie dort einziehen?
Wir planen unseren Einzug im Jahr 2015.
Auf welche Kapazitäten ist das neue Gebäude ausgelegt?
Ginge es nur um die Menge, könnten wir – theoretisch – schon morgen viel mehr Uhren produzieren. Aber dann müssten wir auf komplexere Modelle wie die „Zeitwerk“ oder auf Komplikationen verzichten. Aber zurück zum Gebäude: Heute arbeiten wir in denkmalgeschützten Gebäuden. Dort sind bestimmte bauliche Veränderungen nicht möglich, man kann bestimmte Arbeitsabläufe nicht optimal organisieren. Allein das Thema Staub ist in einem alten, verwinkelten Gebäude wesentlich schwieriger in den Griff zu bekommen als in einem neuen. Die Idee ist, alle Maschinen im neuen Gebäude unterzubringen. Auch die Maschinen benötigen mehr Platz: Eine moderne Erodiermaschine ist heute um einiges größer als noch vor zehn Jahren. Im alten Gebäude würden wir die buchstäblich nicht mehr durch die Tür bringen.
Lange produziert geschätzt 5.500 Uhren pro Jahr. Vergleichbare Manufakturen wie Vacheron Constantin, Audemars Piguet oder Patek Philippe produzieren deutlich mehr, zwischen 18.000 und über 50.000. Wäre es überhaupt denkbar, dass Lange sich zu solchen Größenordnungen hinbewegt?
Unsere Bemühungen gehen dahin, die Wartezeiten für unsere Kunden zu verringern. Wir wissen, dass es nicht optimal ist, dass man heute teilweise mehrere Jahre auf eine A. Lange & Söhne warten muss. Deshalb bauen wir. Und deshalb verdoppeln wir auch die Anzahl unserer Auszubildenden ab 2013, sodass wir das neue Gebäude in drei Jahren mit Leben füllen können. Aber wir können immer nur so viel wachsen, wie es unsere Qualitätsmaßstäbe erlauben. Grundsätzlich bin ich kein Freund von Zahlenspielen. Wenn wir eine Lange 1 Tourbillon mit ewigem Kalender bauen, ist das eine Uhr. Wenn wir eine Saxonia bauen, ist das auch eine Uhr. Aber für die Fertigung der ersten brauchen wir wesentlich länger. Insofern darf man nicht nur auf die reinen Stückzahlen schauen. Was die Komplexität angeht, haben wir uns in den letzten Jahren signifikant nach oben gearbeitet. Ihre Vergleiche mit den anderen genannten Manufakturen halte ich übrigens für schwierig, weil diese viel mehr Damenuhren herstellen als wir, auch Sportuhren aus Edelstahl sowie Quarzuhren.
Bleibt es dabei, dass Sie auch künftig keine Sportuhren bauen?
Ja. Keine Sportuhren, keine Einstiegspreislagen. Lange steht für die feine Herrenuhr.
Abgesehen von einigen Sonderanfertigungen, die auf Auktionen auftauchten, hat Lange nie Edelstahlmodelle angeboten.
Auch das wird so bleiben. Wir stehen für eine bestmögliche Dekoration, ein ästhetisches und haptisches Erlebnis, klares Design, höchste Präzision. Und da gibt es noch so viele Felder, die wir bearbeiten können.
Wären sportliche Modelle aber nicht eine gute Möglichkeit, um jüngere Kunden an die Marke heranzuführen?
Diese Sichtweise von jung und alt ist, glaube ich, sehr deutsch. Ich kenne eine Menge junger Lange-Sammler. Der Anspruch an Qualität ist keine Altersfrage. Eher eine Einkommensfrage, aber speziell in anderen Ländern gibt es viele junge Menschen, die schon früh zu Geld gekommen sind. Wir sind sicherlich keine Marke für ältere Menschen.
Gilt bei Lange noch der Grundsatz, dass jedes Modell ein anderes, eigenes Werk haben muss?
Es ist nicht so, dass wir ein Werk bauen und dann eine Uhr dafür brauchen. Sondern umgekehrt: Zunächst planen wir die Uhr. Und wenn wir wissen, wie diese auszusehen hat – ein Prozess, der durchaus eine Zeit dauern kann –, dann entscheiden wir, welches Werk sie antreiben soll. Verfügen wir bereits über ein Werk, das passt, nehmen wir es. Wir müssen nicht um jeden Preis ein neues Werk entwickeln. Allerdings ist es oft so, dass keines unserer vorhandenen Werke zu der geplanten Uhr passt. Dann müssen wir für sie ein neues Werk entwickeln.
Das führt uns zum Thema Design. Das war immer eine Stärke von Lange. Die Anzeigen auf dem Zifferblatt sind nicht zufällig dort, wo es die Konstruktion bestimmt, sondern die Positionen auf dem Zifferblatt werden vorab festgelegt. Wie gehen Sie an ein neues Produkt heran? Wie ist das Briefing zwischen Design und Entwicklung?
Am Anfang steht immer die Idee. Wir haben klare Vorstellungen davon, welche Uhrenfamilien wir erweitern oder erneuern wollen. Und entsprechend der Designsprache dieser Familie fangen wir dann an, ein Konzept zu entwickeln. Wenn das steht, werden die Designer gebrieft und gebeten, Vorschläge zu machen. Danach kann der Konstrukteur mit seiner Arbeit beginnen, was aber nicht heißt, dass sich am Designentwurf nichts mehr ändern würde. Vielmehr ist es ein Prozess, der dann beginnt und oft über Jahre andauert. Allerdings werden in dieser Phase in der Regel nicht mehr die Positionen von bestimmten Anzeigen wie einer Mondphase oder Chronographen-Totalisatoren verändert. Es kann aber vorkommen, dass die Proportionen der Uhr noch nicht ganz stimmen. Das stellt dann, insbesondere für den Konstrukteur, eine große Herausforderung dar.
Ist es nach wie vor so, dass alle Werke zweimal zusammengebaut werden?
Ja, daran hat sich nichts geändert. Unsere Uhrmacher schwören darauf. Glauben Sie mir, selbst wenn wir beschließen würden, das zu ändern, könnten wir es nicht gegen sie durchsetzen. Die zweifache Montage bedeutet einen erhöhten Aufwand, aber der zahlt sich aus, das merken wir zum Beispiel an geringeren Rücklaufquoten.
Zuerst wird das Werk so zusammengebaut, dass alle Teile perfekt ineinandergreifen und alles funktioniert. Die Einzelteile sind aber noch nicht fertig dekoriert. Wenn technisch alles passt, wird das Werk wieder zerlegt und die Teile werden veredelt. Erst danach baut der Uhrmacher das Werk endgültig zusammen.
Genauso ist es.
Warum veredeln Sie die Teile nicht gleich?
Die Finissierung ist sehr aufwendig und teuer. Wenn wir feststellen müssten, dass ein bereits finissiertes Teil nicht passt, hätten wir es umsonst veredelt, weil wir es gegen ein anderes tauschen müssten. Daher muss zuerst gewährleistet sein, dass jedes Teil an der betreffenden Stelle perfekt passt.
Was sind weitere Vorteile der zweifachen Montage?
In all unseren Uhrwerken verwenden wir naturbelassenes Neusilber. Das sieht wunderschön aus, ist aber auch sehr empfindlich. Durch die Zweifachmontage vermeiden wir sichtbare Beschädigungen, beispielsweise beim Einstellen der Höhenspiele. Das ist eine knifflige Aufgabe für unsere Uhrmacher, besonders bei der „Zeitwerk“: Sie müssen dafür sorgen, dass die Scheiben so satt in den Fenstern sitzen, dass man nicht den Eindruck hat, sie würden auf unterschiedlichen Ebenen liegen. Ziel ist, dass die Zahlen gerade im Fenster stehen, und zwar so nah beieinander, dass man fast keinen Unterschied sieht.
Wie ist es mit der Ausbildung von Nachwuchs?
Seit 1997 bilden wir Uhrmacher und Werkzeugmacher aus. In der Regel haben wir zehn bis zwölf Auszubildende pro Ausbildungsjahr.
Wie viele Ihrer Mitarbeiter sind Uhrmacher?
Die genauen Zahlen geben wir nicht bekannt. Weltweit haben wir jetzt knapp 600 Mitarbeiter, davon den größten Teil in Glashütte. Von den Mitarbeitern dort sind etwa die Hälfte Uhrmacher.
Ein heikles Thema für viele Uhrenhersteller ist die Spiralfeder. Sie fertigen Ihre eigenen Spiralen. Kommen die in allen Lange-Uhren zum Einsatz?
Nein, noch nicht. In unserer aktuellen Kollektion kommen 24 verschiedene Kaliber zum Einsatz, und für 18 davon setzen wir unsere eigene Spirale ein. Für die anderen sechs verwenden wir zugekaufte Spiralen. Nehmen Sie etwa die Lange 1: Sie wird seit 1994 unverändert gebaut, und von daher verwenden wir dort nach wie vor eine Spirale von Nivarox.
Haben Sie noch alte Bestände, oder kaufen Sie nach wie vor neue Spiralfedern ein?
Wir kaufen immer wieder neue ein. Für ein älteres Kaliber, das einst um eine zugekaufte Unruh herum entwickelt wurde, wäre es nicht sinnvoll, eine neue, eigene Spirale zu entwickeln. Bei neuen Modellen haben wir den Vorteil, dass wir schon bei der Konstruktion entscheiden können, welche Spirale wir verwenden.
Und bei der Belieferung mit Spiralen haben Sie keine Probleme?
Nein, da haben wir keine Sorgen. Wir benötigen ja auch keine großen Stückzahlen. Und im Falle des Falles wären wir ja doch in der Lage, eine eigene zu entwickeln.
Liefern Sie auch Spiralen an andere Uhrenhersteller, zum Beispiel an Schwestermarken im Richemont-Konzern?
Sagen wir so: Bei uns sind allein sieben Mitarbeiter mit der Spiralfederfertigung beschäftigt. Und egal, welche Stückzahl an Uhren wir Ihrer Meinung nach produzieren: Dafür bräuchten wir wohl nicht so eine große Zahl von Mitarbeitern.
Sie sagten, die Lange 1 wird seit 1994 unverändert gebaut: Haben Sie die ganze Zeit über wirklich keinerlei Änderungen vornehmen müssen?
Design und Konstruktion sind unverändert geblieben. Es gab ganz wenige Modifikationen im Detail: So haben wir am Anfang eine Breguet-Spirale verwendet, und auch am Datum gab es einmal eine Änderung. Aber in den letzten zehn Jahren ist wirklich alles gleich geblieben.
Bleiben wir bei der Lange 1. Sie ist zu einer echten Ikone geworden, überzeugt mit einem nahezu perfekt ausgewogenen Design. Trotzdem verändern sich im Laufe der Zeit Maßstäbe und Sehgewohnheiten. Die Lange 1 wurde, als die Uhren größer wurden, von manchen als zu klein empfunden. Daher brachten Sie vor ein paar Jahren die Große Lange 1. Bei ihr aber wurde zu Recht kritisiert, dass sich die Anzeigen überlappen. Im Januar haben Sie nun die neue Große Lange 1 vorgestellt. Deren neues Werk bringt wieder perfekte Proportionen bei den Anzeigen mit sich. Kein leichtes Unterfangen, eine Ikone zu überarbeiten. Wie gehen Sie an so ein Thema ran?
Ich glaube, die ideale Umsetzung der Aufgabe, wie man die Lange-1-Familie erweitern kann, ohne von der grundsätzlichen Philosophie abzuweichen, ist die Lange 1 Tourbillon mit ewigem Kalender, die wir in diesem Jahr gebracht haben. Der ewige Kalender ist vielleicht der am besten ablesbare auf dem Markt, weil man alle wesentlichen Informationen auf den ersten Blick sieht. Natürlich hat uns die Frage, wo wir all die Anzeigen unterbringen, Kopfzerbrechen bereitet, denn die Uhr sollte ja immer noch aussehen wie eine Lange 1.
Das Beispiel des Tourbillons zeigt, wie weit wir gegangen sind: Wir haben es nicht aufs Zifferblatt gebracht, obwohl es natürlich Entwürfe gab, wo das so gewesen wäre. Doch wir mussten Prioritäten setzen. Uns waren schließlich die gute Ablesbarkeit und die klare Identität der Uhr als eine Lange 1 wichtiger als die Sichtbarkeit des Tourbillons auf dem Zifferblatt.
Doch gehen wir zurück zur klassischen Lange 1: Mit 38,5 Millimetern Durchmesser liegt sie heute wieder im Trend. Zwar hat sich die groß dimensionierte Uhr zu einer fixen Größe auf dem Markt entwickelt, doch ist es heute nicht mehr so, dass alles groß sein müsste. Die klassische Herrenuhr ist nach wie vor stark. Und das beste Zeichen für ein ausgezeichnetes Design ist, wenn eine 1994 eingeführte Uhr heute noch genauso begehrt ist wie damals. Wir haben bei der Lange 1 Lieferschwierigkeiten, und zwar nicht unerhebliche.
Und wie verhält es sich mit der Großen Lange 1?
Sehr gut. Wir haben ja im Vergleich zur klassischen Lange 1 nicht nur die Größe verändert, sondern auch die Proportionen. Die Uhr ist deutlich flacher und damit eleganter geworden. Damit haben wir es geschafft, sie von der klassischen Lange 1 ein Stück weit abzugrenzen.
Die zweite große Ikone neben der Lange 1 ist der Datograph. Auch den haben Sie in diesem Jahr überarbeitet: Er ist größer geworden, auch deutlich teurer, dafür hat er eine Gangreserveanzeige und überhaupt eine größere Gangautonomie. Auch hier ging es darum, das Modell so zu verändern, dass das alte nicht unattraktiv wird.
Der klassische Datograph ist nach wie vor attraktiv. Ich glaube nicht, dass der neue dem alten schadet. Aber der Datograph ist eine Uhr, die viel getragen wird, keine Uhr für den Safe. Die 36 Stunden Gangreserve des klassischen Datograph sind für eine Handaufzugsuhr nicht viel, das wurde auch immer wieder von unseren Kunden kritisiert. Darauf zu reagieren, war das wichtigste Thema bei der Überarbeitung. Also haben wir die Gangreserve auf 60 Stunden erhöht und eine Gangreserveanzeige aufs Zifferblatt gebracht. Davon abgesehen, haben wir darauf geachtet, die Schönheit der Werkkonstruktion nicht zu verändern.
Die Uhr liegt allerdings auch im Preis weit über dem alten Datograph. Der kostete 2003 in Platin 40.000 Euro und 2010 rund 50.000 Euro. Der heutige kostet 69.000 Euro – eine Steigerung von fast 40 Prozent in zwei Jahren. Liegt diese Preisentwicklung auch darin begründet, dass Sie die Zahl der produzierten Uhren nicht wesentlich erhöht haben, während gleichzeitig, vor allem in Asien, viele neue Märkte dazugekommen sind?
Alle Preise haben sich weiterentwickelt. Die Edelmetallpreise, aber auch die Arbeit unserer Uhrmacher. Wir leben in einer Welt, die immer teurer wird, das bitte ich zu berücksichtigen. Das ist aber nicht der einzige Punkt. Wir haben auch eine strategische Preisposition, und damit stehen wir nicht allein. Wenn Sie den Datograph einmal mit entsprechenden Produkten der Mitbewerber vergleichen, bietet er immer noch eine attraktive Preisposition.
(In diesem Moment bittet unser Fotograf Schmid darum, den Ärmel zu lupfen, damit man die Uhr an seinem Handgelenk besser sehen kann. Es ist ein Datograph.)
Ist der Datograph, den Sie tragen, der neue?
Ja, den trage ich mit Stolz. Es ist der Prototyp.
Und den tragen Sie jeden Tag, oder wechseln Sie auch mal ab?
Jeden Tag.
Das heißt, Sie haben sich in die Uhr verliebt. Oder müssen Sie aus Gründen der Markenpolitik ein bestimmtes Modell tragen?
Letztes Jahr trug ich die Richard Lange Tourbillon Pour le Mérite, ein ganzes Jahr lang. Dazu gibt es eine schöne Anekdote: Vor dem Genfer Salon SIHH 2012 kamen unsere Entwickler Tony de Haas und Tino Bobe zu mir und sagten, sie bräuchten meine Uhr. Ich war perplex. Doch eine halbe Stunde später standen die beiden wieder im Raum, mit einem breiten Grinsen, und gaben mir diese Uhr, den Prototypen des neuen Datograph. Seitdem trage ich ihn, er ist ein guter Reisebegleiter. Aber zwischendurch ziehe ich auch andere Modelle an, denn man erkennt die Details, die für den Kunden wichtig sind, nur dann, wenn man die Uhren selbst trägt.
Als Reiseuhr würde sich auch die Lange 1 Zeitzone anbieten.
Das stimmt. Aber die wird zurzeit so gut verkauft, dass wir kein Modell verfügbar haben. Selbstverständlich nehme ich dann keine weg von denen, die zur Auslieferung an die Kunden bestimmt sind.
Wir sprachen vorhin über Ihre Verkaufspunkte rund um den Globus. Sie haben vor kurzem Ihre siebte Boutique eröffnet, in Dubai. Sechs davon befinden sich in Asien, in den bekannten „Hotspots“ wie Hongkong, Shanghai, Tokio, Seoul. Eine ist hier in Dresden. Kein Hotspot, sondern die Heimat. Ist diese Boutique mehr eine Art Showroom?
Ganz und gar nicht, sie hat selbstverständlich einen Geschäftszweck. Unterschätzen Sie Sachsen nicht! Zu den Boutique-Kunden gehören sehr treue Sammler, von denen auch einige in Sachsen wohnen.
Sie können aber auch in den Boutiquen wahrscheinlich nicht die ganze Kollektion vorrätig halten.
Nein. Das ist unmöglich. Es wäre auch nicht richtig, wenn wir in den Boutiquen Modelle, die auf der ganzen Welt gesucht sind, in die Schaufenster legen würden, während andere Händler sie dringend bräuchten.
Als ich dem Taxifahrer vorhin sagte, ich wolle in die Boutique von A. Lange & Söhne, sagte er, das scheine jetzt der neue Trend zu sein, dass Marken ihre eigenen Boutiquen eröffnen. Dann fragte er mich: Warum machen die das eigentlich? Um die Händlermarge zu sparen? Diese Frage muss ich an Sie weitergeben.
Es gibt unterschiedliche Beweggründe dafür. Wir haben bestimmte Städte als strategisch wichtig eingeordnet, und in diesen Städten wollen wir eine Botschaft haben. Diese Botschaft ist die Boutique. Für jemanden, der in München lebt, ist es relativ einfach, nach Dresden oder Glashütte zu kommen, um zu erleben, was wir hier machen. Wenn man aber in Hongkong oder in Dubai lebt, ist das schon schwieriger. Wir wollen, dass man Lange auch in diesen Städten in seiner pursten Form erleben kann. In einer Boutique ist das möglich. Wir wählen die Orte dafür sorgfältig aus, und die Zahl der Boutiquen wird überschaubar bleiben.
In Asien ist der klassische Fachhandel allerdings nicht in dem Maße vertreten wie hierzulande. Ist es Ihr Ziel, auch in Europa mehr Boutiquen zu eröffnen?
Unabhängig davon, ob die Boutique vom Hersteller betrieben wird oder von einem externen Partner, gibt es auf den Kontinenten unterschiedliche Modelle. Das klassische deutsche oder europäische Modell ist Multi-Franchise, also ein Fachhändler, der verschiedene Marken führt. Demgegenüber steht das in Asien beliebte Konzept der Mono-Stores. Das sind unterschiedliche Entwicklungen. Inwieweit das eine mehr nach Europa oder das andere mehr nach Asien kommt, bleibt abzuwarten. Dass das Boutique-Modell in Europa das bestehende Multi-Franchise-Modell verdrängen wird, wage ich allerdings zu bezweifeln.
Am Anfang sprachen wir über die verschiedenen Kontinente. Luxusuhren sind ein Thema in Europa, Asien und Amerika, in geringerem Maße auch in Australien, aber nicht in Afrika. Sie selbst haben mehrere Jahre für BMW in Südafrika gearbeitet. Wie sehen Sie diesen Kontinent?
Ich glaube fest daran, dass Afrika eine glanzvolle Zukunft hat. Etliche Marken sind auch schon dort. Lange kommt meist aber erst dann, wenn der Markt für unser Segment bereits eine gewisse Reife aufweist. Und für die Erschließung neuer Märkte gilt grundsätzlich: Wir müssen auch Uhren liefern können.
An welche Länder denken Sie in erster Linie?
Ich glaube, dass vor allem Südafrika, Angola und auch Nigeria deutlich an Kraft gewinnen werden. Dabei spielen Rohstoffreichtum, aber auch der Tourismus eine wichtige Rolle. Für uns ist es noch zu früh, aber es wird der Tag kommen, an dem auch wir dort vertreten sein werden.
Fotos: Marcus Krüger