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Cartier: Die Geschichte des Uhrenmodells Tank

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Louis Cartier habe die ersten Exemplare einer rechteckigen Uhr namens "Tank" (Panzer) 1918 an den amerikanischen General John Joseph Pershing und einige seiner Offiziere übergeben – so will es die Legende. Wahr oder nicht, sie symbolisiert sehr treffend die bewegte Geschichte der Uhr.
Selten lässt sich ein Krieg mit einer so positiven Besonderheit wie der Entstehung der Tank verknüpfen. 1918 endet der Erste Weltkrieg, bereits 1917 greifen die amerikanischen Truppen über Frankreich in das Geschehen ein und stehen den europäischen Nationen bei. Erfolgreich setzen die amerikanischen und britischen Einheiten dabei Panzer ein, die damals noch eine Neuheit auf den Schlachtfeldern sind. "Tanks" werden diese mobilen Geschütze auf Ketten genannt; als Erinnerungsstück und Ehrung überreicht Cartier eine Uhr gleichen Namens an die couragierten Befehlshaber. Deutlich inspiriert ist sie von der Optik der britischen Mark-IV-Panzer. Eckig und relativ flach kommt der Zeitmesser daher, der nur zwei Zeiger in der klassischen Breguet-Form und keinerlei sonstige Zusatzfunktionen zu bieten hat. Bereits damals sind die römischen Ziffern typisch für das Design, sie schmücken bis in die Gegenwart einen Großteil aller verkauften Tank-Uhren.
Louis Cartier, Sohn des Firmengründers Louis-François, baut Cartier als Luxusatelier für Uhren und Schmuck auf. Das bis heute bestehende weltweite Renommee verdankt das Unternehmen ihm © PR
Ein Klassiker ist geboren Ob Pershing dabei bewusst ist, dass er nun die erste Uhr einer Serie in der Hand hält, die auch fast 100 Jahre später noch ein Begriff sein wird – darüber kann nur spekuliert werden. Die Tank gehört neben den Baureihen "Santos" und "Pascha" zu den Ikonen aus dem Cartier-Angebot und feiert 2017 den 100. Geburtstag. Dabei ist die Tank in den 20er-Jahren des letzten Jahrhunderts mehr als nur eine neue Armbanduhr – sie ist Wegbereiter für die Uhr am Handgelenk generell. In jenen Jahren herrscht noch geringe Akzeptanz für die Zeitmesser dieser Art – und viele Hersteller bauen einfach Taschenuhren mit Halterungen zu Armbanduhren um. Uhren-Design auf der Leinwand Mit der Tank möchte Cartier hingegen ein integrierendes Design schaffen, bei dem das Band in das Gehäuse übergeht und mit markanten Anstößen Teil des Gesamtkunstwerkes wird. Der Lederriemen soll also nicht nur der Befestigung am Arm dienen – sondern auch der Optik. Dabei bricht die Uhr mit einem weiteren Grundsatz, der damals bei Zeitmessern generell gilt: Gehäuse und Zifferblatt werden nicht mehr rund, sondern eckig gestaltet. Cartier bedient sich auch bester innerer Werte – und für diese trägt der Uhrmacher Edmond Jaeger die Verantwortung. Er arbeitet seit 1906 mit der im schweizerischen Vallée de Joux beheimateten Manufaktur LeCoultre & Cie zusammen, die Rohwerke liefert. Später übernimmt er das Unternehmen in der Schweiz, die Geburtsstunde der Uhrenmanufaktur Jaeger-LeCoultre. Ein weiteres, damals mutiges gestalterisches Experiment, aber bis heute ein Markenzeichen der Tank-Kollektion, ist der Steinbesatz auf der Krone. So ziert ein blauer Saphir-Cabochon die Aufzugskrone von Anfang an. In den 20er-Jahren macht die Tank eine schnelle Karriere, eckig kommt an. Viele Filmschauspieler tragen die Uhr – 1926 hat sie ihren ersten Auftritt mit dem Stummfilmstar Rudolph Valentino in "Der Sohn des Scheichs". Schauspieler wie Clark Gable oder Gary Cooper tragen ebenfalls eine Tank – aber später auch andere Künstler wie Andy Warhol und neben ihm viele weitere Prominente.
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»Der Sohn des Scheichs« - mit ihrem ersten Film- auftritt gewinnt die Uhr Bekanntheit. Viele Stars rund um die Welt tragen über kurz oder lang Tank Zwei Größen des französischen Films am Strand der Côte d'Azur: Simone Signoret und Yves Montand machen – beide mit ihrer Tank – eine gute Figur Duke Ellington: Die Jazz-Legende entscheidet sich in den 1920er-Jahren für die außergewöhnliche, rechteckige Uhr aus Frankreich. Mit im Bild: Tank Cintrée
Eine Ikone als Wertanlage Historische Modelle der Baureihe Tank sind eine echte Wertanlage. Selten findet man solche Uhren im Handel, meist bei spezialisierten Auktionshäusern wie Antiquorum. Eine Tank aus den 1920er-Jahren kann leicht einen Preis von 30.000 Euro und mehr erzielen – je nach Modell und Gehäuseform, wobei einige durch große Seltenheit hervorstechen. Besonders wertvoll ist die langgestreckte Tank Cintrée, deren Gehäuse nicht nur länger ist als das der Tank Normale, sondern auch ergonomisch gewölbt. 1921 wird die Cintrée präsentiert und erhält Ende der 20er-Jahre auch – anders als die sonstigen Tank-Modelle – arabische Zahlen für das Zifferblatt. Die Tank Normale ist günstiger zu haben, doch aus den frühen Baujahren ebenfalls sehr selten. Je nach dem Zustand der Uhr begegnen dem Interessenten Preise von 8.000 Euro bis hin zu mehr als 15.000 Euro – wenn überhaupt eine der Uhren verkauft wird. Erstaunlich ist dabei der Wertzuwachs über die letzten Jahre – neben bekannten Wertträgern wie der Rolex Daytona in Paul-Newman-Ausführung garantieren die Modelle von Cartier für hohe Zuschläge auf einschlägigen Auktionen.
Verschmelzung: Die Tank Cintrée passt sich ab 1928 dem Handgelenk noch besser an – mit ihrer gewölbten Gehäuseform und dem reduzierten Gewicht © PR
Noch in den 20er-Jahren beginnt Cartier, die Tank als Plattform für Varianten zu nutzen – bis heute eine Strategie des Hauses. Die gewölbte Cintrée ist erst der Beginn – 1922 folgt die Tank Chinoise mit betontem Gehäuse, das vor allem durch die noch stärker auftretenden Bandanstöße auffällt. Zu diesem gestalterischen Motiv inspirieren die Arkaden chinesischer Tempel. Auch diese Modelle, die in Gold mit oder ohne Brillant- und Steinbesatz zu haben sind, werden heute – nach Zustand – für 5.000 bis 15.000 Euro gehandelt. In manchen Fällen können die Preise noch höher liegen. Über hohen Seltenheitswert verfügt auch die Tank à Guichets, die 1928 auf den Markt kommt. Statt eines Uhrglases trägt sie eine gebürstete Platte aus Gold oder Platin, in die Stunden und Minuten als digitale Scheibenanzeigen eingelassen sind. Die Stunde ist dabei springend ausgeführt, die Aufzugskrone findet sich auf zwölf Uhr, um das ungewöhnliche Design nicht an der Flanke zu stören. Später erfährt die Uhr, die als historisches Original kaum bezahlbar ist, eine Neuauflage. Im selben Jahr – 1931 – kommt der Eindrücker-Chronograph Tortue auf den Markt. 1932 dann präsentiert das noble Pariser Schmuckhaus die zunächst Cabrio-Réversible genannte Wendeuhr, die später als so genannte Tank Basculante zahlreiche Handgelenke ziert und bis heute erhältlich ist. Auch diese Uhr erzielt – in der Grundversion – hohe Preise. In den 1950er-Jahren ist die Tank ebenfalls fester Bestandteil der luxuriösen Uhrenszene. Stars wie Brigitte Bardot oder Juliette Gréco lassen sich von ihr die Zeit anzeigen. Doch das Haus Cartier steuert durch wechselhafte Zeiten: 1965 stirbt Pierre Cartier, und das Unternehmen fällt aus dem Besitz der Familie. Es dauert bis in die 70er-Jahre, ehe unter der Leitung von Robert Hocq und Joseph Kanoui der Wiederaufstieg von Cartier einsetzt und mit neuem Marketing neue Märkte erschlossen werden. Hocq entwickelt dabei 1974 mit dem späteren langjährigen CEO Alain Dominique Perrin ein neues Konzept: Les Must de Cartier – mit der Intention, neue Zielgruppen zu erschließen. Auch die Tank spielt in den Plänen eine Rolle und wird zu einem der wichtigsten Modelle der neuen Kollektionen. Wechselhafte Zeiten Damit zieht ein neuer Werkstoff in die Fertigung der klassischsten aller Tank-Modelle ein: Vermeil. Es entsteht, indem das Gehäuse aus Sterling-Silber 925 gefertigt und anschließend mit 20 Mikron Gold überzogen wird. Ebenfalls neu sind die Antriebe, denn nun finden sich auch Quarzwerke in den Uhren von Cartier. In der Grundform ist sich die Tank aber treu geblieben. Neben dem rechteckigen Gehäuse, blauen Zeigern und römischen Ziffern ziert die Uhr immer noch der bekannte blaue Saphir-Cabochon der Krone. In der Kollektion Must de Cartier fallen allerdings die römischen Zahlen weg – bunte Zifferblätter in verschiedenen Farben machen die Tank zu einem besonders modischen Accessoire.
Must de Cartier: Mit den Schwertzeigern auf bunten Zifferblättern ohne Minuterie erschließen viele Varianten der Uhr neue Zielgruppen für Cartier © PR
Solche Modelle sind heute der günstige Einstieg in ein Leben mit dem Mythos Cartier. Für 400 bis 500 Euro werden die Modelle in meist getragenem Zustand gehandelt, für 700 bis 1.000 Euro sind bereits sehr gut erhaltene Quarz- oder Handaufzugsmodelle über Plattformen wie Chrono24 zu kaufen. Dem Suchenden begegnen die Tank-Modelle dort außer in Vermeil auch komplett in Silber, in massivem Gold oder in Platin. Die Preise der Massiv-Modelle liegen dabei wesentlich über denen der vergoldeten. Eine Tank ist immer modern – so viel steht nach einer Betrachtung der Historie fest. Doch Cartier nutzt die Linie auch in den letzten 30 Jahren, um stets für neue Formen zu sorgen. Die Tank Américaine greift so 1989 das Motiv der ergonomisch gewölbten Uhr wieder auf. Dabei ist die Uhr auch wasserdicht – was ihr Vorbild Cintrée in den 20er-Jahren nicht vorweisen kann. Apropos: 1931 wird auf Wunsch des Paschas von Marrakesch die Tank Etanche gebaut – eine erste wasserdichte Version der Tank. Transfer in die Moderne Mit Metallband kommt 1996 die Tank Française auf den Markt. Deutlich wuchtiger zeigt sich die Uhr, die in verschiedenen Materialkombinationen und mit Automatik- oder Quarzwerk zu haben ist. Bis heute wird das Uhrenmodell gebaut und erfreut sich in der Kollektion neben dem Original mit der größten Beliebtheit. Auf dem Gebrauchtmarkt beginnen die Preise für Modelle in Stahl bei Beträgen knapp unter 2.000 Euro, für Modelle in Edelmetall bei etwa 3.500 Euro, durch Steinbesatz steigen die Preise auf über 5.000 Euro.
Tank Américaine in den 1980er-Jahren: ein Hauch Art déco und die Gehäusewölbung der Cintrée. Der Tradition folgen Minuterie und Schwertzeiger © PR
Auch in den Uhren bleibt die Zeit nicht stehen – 2008 bringt Cartier ein eigenes Manufakturwerk auf den Markt, das ein Jahr danach auch in der Tank Américaine Premiere feiert. Das Kaliber 9452 MC mit Genfer Punze bietet ein fliegendes Minutentourbillon mit sichtbarem Käfig – in Form des Cartier-C. Auch 2012 ist ein Jahr der Tank, drei neue Modelle kommen auf den Markt. Dabei werden historische Merkmale – teils aus alten Kollektionen, teils aus dem Skizzenbuch Louis Cartiers – feinsinnig und modern zitiert. So kommen die Stilmittel der Tank Louis Cartier von 1922 in der Tank Louis Cartier XL auf Zifferblatt und Gehäuse. Mit knapp über fünf Millimetern Gehäusehöhe ist die Uhr deutlich flacher als das Vorbild aus den 20er-Jahren. Nach Tank Américaine und Tank Française kommt die Tank Anglaise, um ein wenig Gleichgewicht in die internationale Verteilung der Tank-Uhren zu bringen. Mit der Form des Rechtecks bricht die Tank Folle, die in ihrer abstrahierten Gestaltung dennoch eine Tank ist: Neben der Cabochon-Krone sind Zeiger und Zifferblatt mit der Chemin-de-Fer-Minuterie charakteristisch. Die Tank als eine Zeitzeugin der Jahrhunderte – die ersten 100 Jahre sind beinahe geschafft. Auf die kommenden 100 können Uhrenfreunde rund um den Globus nur gespannt sein. Sicher ist: Die Tank als Klassiker wird dabei sein. Text: Thomas Gronenthal Bilder: Antiquorum, Cartier Thomas Gronenthal, Jahrgang 1978, kann sich nicht mehr erinnern, wann er damit begann, sich für mechanische Uhren und ihre Werke zu interessieren. Seit 15 Jahren schraubt er dabei auch an den tickenden Zeitmessern. Sie interessieren sich für die wichtigsten Highlights der Uhrenmarke Cartier? Alles über Cartier erfahren Sie hier: www.watchtime.net/cartier

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