Ein Schalt- oder Säulenrad ist beim Chronographen ein prestigeträchtiges Feature. Aber wie funktioniert das Bauteil? Und ist es wirklich besser als die Kulissensteuerung? (Artikel aus Chronos 03.2013)
Als Adolphe Nicole 1862 den ersten richtigen Chronographen vorstellte, mit von ihm entwickelter Rückstellung über eine Herzscheibe, war das Schaltrad schon elementares Bestandteil. Bei diesem Ein-Drücker-Chronographen wurden die drei Funktionen des Drückers – Starten, Stoppen und Nullstellen – schon über ein Schaltrad angesteuert. Breitling entwickelte später den Chronographen mit zwei Drückern, der die starre Reihenfolge der Funktionen durchbrach und auch Additionsstoppungen ermöglichte. Der zweite Drücker war für die Nullstellung verantwortlich. Dieser Aufbau setzte sich weitgehend durch. Der obere Drücker eines Chronographen muss heute aber immer noch zwei verschiedene Aufgaben übernehmen: Zuerst startet er den Chronographen, beim zweiten Druck stoppt er die Messung.
Im Innern laufen dabei mehrere Dinge gleichzeitig ab. Beim Starten muss, vereinfacht gesprochen, der Chronographenzeiger mit dem Uhrwerk in Eingriff gebracht werden. Das geschieht über eine vertikale oder horizontale Kupplung oder über ein Schwingtrieb. Gleichzeitig muss der Rückstelldrücker blockiert werden, da er bei eingeschaltetem Chronographen den Mechanismus beschädigen könnte.
Das Schaltrad, auch Säulenrad genannt, besteht aus zwei Funktionsebenen: Zum einen aus dem unteren Rad mit Sägeverzahnung, über die es beim Betätigen des Drückers weiterbewegt wird. Zum anderen aus dem namengebenden Rad mit den Säulen, die für die Funktionen Start und Stopp entsprechend die Hebel in Bewegung setzen und die Nullstellung blockieren. Dazu kommen noch Federn, die das Schaltrad an seiner Position halten und die Hebel gegen die Säulen drücken, damit sie auch wirklich in die Lücken fallen.
Bild 1 zeigt das gebläute Schaltrad, bevor die Messung gestartet wird: Links sieht man den ins Schaltrad eingefallenen Nullstellhebel, der den an außen an einer Säule liegenden Kupplungshebel fast ganz verdeckt.
Bild 2: Nach dem Betätigen des Start-Stopp-Drückers ist das Schaltrad von einem Hebel ein Stück im Uhrzeigersinn gedreht worden. Der Kupplungshebel ist von einer Feder zwischen zwei Säulen gedrückt worden und hat den Chronographen mit seinem anderen Ende eingekuppelt. Der Nullstellhebel ist vom Schaltrad nach außen gedrückt worden und somit blockiert.
Bild 3: Erneutes Betätigen des Start-Stopp-Drückers hat das Schaltrad wieder ein Stück im Uhrzeigersinn gedreht. Eine Säule hat den Kupplungshebel wieder nach außen gedrückt, sodass der Chronograph ausgekuppelt wurde. Der Nullstellhebel ist nicht mehr blockiert, und das Betätigen des Nullstelldrückers würde ihn ins Schaltrad fallen lassen und mit seinem anderen Ende über die Nullstellherzen die Chronographenzeiger wieder in ihre Ausgangspositionen bewegen.
Da das Schaltrad aufwendig zu produzieren war und sauber justiert werden musste, wurde seit den 1920er Jahren intensiv nach einem günstiger zu produzierenden Mechanismus gesucht. Die Werkehersteller Landeron und vor allem Venus mit dem Kaliber 188 etablierten dann die Kulissenschaltung, auch Nockensteuerung genannt. Wegen der stanzbaren Teile waren diese Werke deutlich günstiger zu fertigen, und bei sorgfältiger Planung entfielen auch die meisten Justierungen des Mechanismus. In den 1960er und 1970er Jahren setzte sich die Kulissensteuerung auf breiter Basis durch.
Heute ist das 1973 vorgestellte und inzwischen von der Eta produzierte Valjoux 7750 der fast einzige, dafür aber allgegenwärtige Überlebende. In mehr als der Hälfte aller mechanischen Chronographen tickt dieses Automatikwerk mit Nockenschaltung und einem Schwingtrieb als Kupplung. Damit stellt es gewissermaßen den Endpunkt der Industrialisierung dar und liefert gleichzeitig den Beweis, dass dieser Vorgang der Robustheit und Langlebigkeit eher zugute kommt als schadet.
Das Schaltrad gilt heute jedoch als die elegantere Variante der Chronographensteuerung. Zumeist führt sie auch zu einem leichtgängigeren Start-Stopp-Drücker. Beim Valjoux 7750 ist dieser eher schwergängig, was zusammen mit der recht großen Bauhöhe und dem nur einseitigen Aufzug als Hauptkritikpunkt an dem Bestseller gilt. Ein Schaltrad ist außerdem schöner anzusehen als die meist gestanzten Hebel der Nockensteuerung. Gerne wird das Schaltrad gebläut, um noch mehr Blicke anzuziehen.
Neben den vielen Uhren mit dem Kaliber Valjoux 7750 finden sich nockengesteuerte Werke heute nur noch in homöopathischen Dosen. So tickt bei Omega in der Speedmaster Professional Moonwatch aus Traditionsgründen ein Handaufzugswerk auf Lemania-Basis, das seit 1968 durch eine Modifikation von Schaltrad auf Nockensteuerung umgebaut wurde.
Interessanterweise setzt die altehrwürdige Manufaktur Ulysse-Nardin-Kaliber 150. Die Marke kaufte die Rechte letztes Jahr von Ebel.
Nockensteuerung
Betätigt man den Start-Stopp-Drücker P, dann bewegt sich der obere Teil des Kommandohebels G nach rechts. Dabei wird auch der Herzhebelbegrenzer N gegen den Uhrzeigersinn gedreht, und die Sperrfeder S rastet auf der Position 3 ein. Dabei wird auch der Herzhebel Z bewegt, der wiederum mit seiner Kupplungsnase z' den Kupplungshebel B' bewegt und damit den Chronographen einkuppelt. Der Nullstelldrücker ist durch die Position des Herzhebels Z blockiert.
Um den Chronographen zu stoppen, muss erneut der Drücker P betätigt werden. Dann bewegt der Kommandohebel G den Herzhebelbegrenzer N, und die Sperrfeder S rastet wieder auf der Position 2 ein. Der Herzhebel Z' bewegt dabei mit seiner Kupplungsnase z' den Auslösestift b', wodurch der Kupplungshebel B' angehoben und der Chronograph ausgekuppelt wird. Nun können auch über den Nullstelldrücker H die Chronographenzeiger in die Ausgangsposition gebracht werden. Dabei bewegt der Drücker über den Nullstellhebel L den Herzhebel Z, sodass die zwei Arme auf die Nullstellherzen von Sekunden- und Minutenzähler drücken.
Auf der Schaltradseite sieht es dagegen vielfältiger aus. Dieser Trend ist jedoch relativ neu: Cartier setzten bis vor wenigen Jahren fast ausschließlich auf das Valjoux 7750. Nachdem die Swatch-Group-Tochter Eta aber versucht, weniger Werke an gruppenfremde Marken zu verkaufen, und die Werke auch deutlich verteuert hat, haben alle diese Marken eigene Chronographenkaliber vorgestellt. Und alle setzen auf das prestigeträchtige Schaltrad, das auch gerne gezeigt wird, selbst wenn man dafür extra eine Aussparung in die Platine fräsen muss. Auch für Omega ist ein eigener Schaltradchronograph seit neuestem Ehrensache. Und Rolex? Bis zum Jahr 2000 setzte der Branchenprimus auf ein modifiziertes Zenith-El-Primero-Kaliber mit Schaltrad in seiner Daytona. Heute tickt in der Daytona das selbst entwickelte Automatikwerk 4130, ebenfalls mit Schaltrad.
Neben dem Valjoux 7750 verkauft die Eta noch den Modulchronographen Eta 2894 als Werkeoption. Obwohl die Kadratur zifferblattseitig liegt und nicht zu sehen ist, sorgt auch hier ein Schaltrad für die Steuerung der Chronographenfunktionen. Dieser Umstand ist wenig bekannt, denn das Modul wird immer als Ganzes getauscht; es gibt keine Ersatzteile, und das Innenleben bekommen daher nicht einmal Uhrmacher zu Gesicht.
Longines entwickelte Kaliber A08.231 besitzt ein gebläutes Säulenrad. Der Werkehersteller Eta hat auf Basis des 29,9 Millimeter großen Valjoux 7750 auch das 36,6 Millimeter messende Eta-Valgranges A07.211 mit Nockensteuerung vorgestellt, das Teil einer ganzen Kaliberfamilie namens Valgranges ist.
Hublot konzipierte sein eigenes Chronographenkaliber HUB 1240 Unico von Anfang an so, dass das Schaltrad von vorn zu sehen ist, was bei der Modellreihe King Power Unico mit teilweise skelettierten Zifferblättern voll zum Tragen kommt.
Zuvor hat Hublot, ebenso wie Panerai und Vulcain, ein ganz besonderes Valjoux 7750 genutzt: Der Mechanikspezialist La Joux-Perret hat das Werk tatsächlich von Nocken- auf Schaltradsteuerung umgebaut, womit sich der Kreis schließt und der Gegensatz aufgehoben wird.
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Lesen Sie den Artikel über die zweite wichtige Chronographentechnik, die Kupplung, hier: www.watchtime.net/nachrichten/chronographenkupplungen