Rolex und die DDR – für die meisten Menschen passen diese Begriffe nicht wirklich zusammen, sie schließen sich eher noch gegenseitig aus. So ist es kaum vorstellbar, dass es an ausgewählten Orten im real existierenden Sozialismus tatsächlich die Möglichkeit gab, eine Luxusuhr der Marke Rolex zu erwerben. Über die Hintergründe dieser ungewöhnlichen „Agentengeschichte“ ist nur wenig bekannt. Von Rolex selbst gibt es keine offiziellen Informationen. Und doch existieren Rolex-Uhren aus der DDR.
Aufmerksam wurden Sammler, als erstmals Rolex-Uhren mit dem Stempel des Grand Hotels in der Osterberliner Friedrichstraße auftauchten. So erfuhr die Öffentlichkeit von einem bis dato unbekannten Rolex-Verkaufsagenten. Alle gefundenen Uhren sind mit dem Ländercode 301 versehen. In der Uhrenszene führte dies zunächst zu großer Verwirrung, gepaart mit dem üblichen Fälschungsverdacht. Doch der Ländercode 301 für die DDR hat wirklich existiert; es gibt inzwischen mehrere gesicherte Fundstücke, die das beweisen.
Rolex-Uhren als Mittel der Devisenbeschaffung
Die Spur führt in das erwähnte Berliner Grand Hotel – heute als Westin Grand bekannt. Bei allen dokumentierten Modellen ist in den Papieren der Stempel dieses Hotels gut zu erkennen. Der entsprechende Rolex-Verkaufsagent war im staatlichen Auftrag unterwegs und gehörte offiziell zu den 1965 gegründeten DDR-Interhotels. Dort wurden bevorzugt Gäste aus – wie es im DDR-Jargon hieß – „nicht sozialistischen Wirtschaftsgebieten“ untergebracht. Diese Hotels waren Bestandteil der für die DDR so wichtigen Devisenbeschaffung. Alle Leistungen mussten in harter Währung bezahlt werden. Am 1. August 1987, pünktlich zur 750-Jahr-Feier von Berlin, wurde das Grand Hotel nach zwei Jahren Bauzeit offiziell von Generalsekretär Erich Honecker eröffnet. Eine Suite kostete damals die gigantische Summe von 3.600 D-Mark pro Übernachtung. Der klassizistisch anmutende Hotelbau erinnert stark an die zuvor auf dem Gelände stehende Kaisergalerie. Diese wurde im Zweiten Weltkrieg ausgebombt und in den 1950er-Jahren dann vollständig abgerissen.Die Doppelrolle des Ostberliner Grand Hotels
Die DDR befand sich 1987 in einer prekären politischen und vor allem wirtschaftlichen Lage. Mit luxuriösen Häusern wie dem Grand Hotel versuchte man einerseits dem Westen zu zeigen, dass auch der Sozialismus Luxus erschaffen kann. Andererseits und vor allem hatte man es aber auf die begehrten Devisen der zahlungskräftigen Kunden abgesehen. Das erklärt auch die gigantischen Dimensionen: Allein der gastronomische Trakt des Grand Hotels konnte bei der Eröffnung 900 Gäste gleichzeitig bewirten. Da bot es sich förmlich an, auch hochwertige Accessoires wie Schmuck und Luxusuhren anzubieten. Eine Marke wie Rolex war der Inbegriff für westlichen Luxus und passte gut in das gehobene Repertoire des Hotels. Unter welchen Umständen dieser ungewöhnliche „Austausch“ von Devisen gegen Luxus stattfand und welche Preise aufgerufen wurden, bleibt im Dunkeln. Jedenfalls fand er nicht an einer der sonst üblichen diskreten Orte wie der Glienicker Brücke statt, sondern mitten im Herzen von Ostberlin. Hier geht es weiter mit der Geschichte der Rolex-Uhren aus der DDR Es werden wohl nur besondere DDR-Mitarbeiter gewesen sein, die Geschäfte wie jenes mit den Rolex-Uhren abwickeln durften. Auf den gefundenen Dokumenten ist immer nur dieselbe Unterschrift zu sehen. Das Unterfangen hatte zudem regelrecht hoheitlichen Charakter. Das Grand Hotel gehörte nämlich zu den sogenannten Valuta-Hotels, die direkt dem Bereich „Kommerzielle Koordinierung“ (KoKo) im Ministerium für Außenhandel zugeordnet waren. Dessen Aufgabe bestand vor allem in der Devisenbeschaffung. „Valuta“ war der in der DDR-Administration gängige Begriff für westliche Währung.Die DDR-Rolex-Uhren
Es versteht sich von selbst, dass die angebotenen Modelle auch den weltläufigen Vorstellungen von einer luxuriösen Uhr entsprechen mussten. Die Rolex Datejust mit der Referenz 16013 passt perfekt in dieses Klischee: Sie verbindet ein Gehäuse in Stahl-Gold-Ausführung mit klassischem Jubileeband und einem goldfarbenen Tapestry-Zifferblatt. Mit der dazugehörigen Box (Referenz 68.00.71) war dieses Modell im Westen regulär erhältlich. Die Uhr mag wegen ihres modischen und hochwertigen Erscheinungsbilds das Interesse der „KoKo“ geweckt haben, denn der damalige Zeitgeschmack hatte eine ausgeprägte Vorliebe für Stahl-Gold-Gehäuse. Auch viele DDR-Uhren wurden in dieser Ausführung angeboten, bei deren Gold handelte es sich aber selbstverständlich um Golddoublé.
Natürlich durfte unter den DDR-Rolex-Uhren auch ein reines Goldmodell nicht fehlen. So ist bekannt, dass auch eine Rolex Day-Date aus Gelbgold (Referenz 18038) mit President-Armband im Dezember 1989 im Grand Hotel den Besitzer wechselte. Die Berliner Mauer war kurz zuvor gefallen, und die DDR lag in den letzten Zügen. Interessant ist in diesem geschichtlichen Zusammenhang, dass die Uhr über eine Wochentagsanzeige auf Englisch verfügte.