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Vallée de Joux: Wo viele Schweizer Uhren herkommen

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Wer sich für Schweizer Uhren interessiert, kommt um das Vallée de Joux nicht herum, denn die Uhrmacherei, insbesondere die Komplikationen, haben das kleine Schweizer Hochtal bekannt gemacht. Heute tummeln sich in den kleinen Dörfern rund um den Lac de Joux die ganz großen Uhrenmarken.
Breguet: Schweizer Uhren aus dem Vallée de Joux © PR
Samuel-Olivier Meylan verließ im Jahr 1740 seine Heimat im Schweizer Vallée de Joux, um das Uhrmacherhandwerk zu erlernen. Andere eiferten ihm nach. Als sie wieder in das Tal zurückkehrten, gründeten sie die ersten Uhrenateliers und engagierten Auszubildende, um das Gelernte weiterzugeben. Es war der Beginn der Uhrenindustrie in diesem abgelegenen, ruhigen Hochtal im Herzen des Jura-Gebirges. Die Uhrmacherei hauchte dem armen, dünn besiedelten und schwer zu erreichenden Landstrich neues Leben ein.

Vallée de Joux - ein Hauptproduktionsort für Schweizer Uhren

In den vergangenen 15 Jahren haben die enorme Nachfrage nach Luxusuhren und die daraus folgende Flut an Investitionen sowohl von großen Luxusgütergruppen als auch gut betuchten unabhängigen Uhrmachern neuen Schwung in das Vallée de Joux gebracht. Eine Fahrt rund um das etwa eine Stunde von Genf entfernte Tal lässt das Herz des Uhrenenthusiasten höher schlagen. Dort entdeckt man neue Gebäude oder Gebäudeerweiterungen von fast allen großen Marken. Seit 2002 hat sich der Wert der Uhrenexporte aus dem Kanton Waadt, wo sich das Hochtal befindet, mit 1,2 Milliarden Schweizer Franken mehr als verdoppelt. Beinahe 90 Prozent der Exporte kommen aus dem Tal.

Welche Uhrenmarken sind im Vallée de Joux zu Hause?

Das Vallée de Joux hat die höchste Konzentration an international bekannten Luxusuhrenfirmen. Romain Gauthier oder Pierre DeRoche. All diese Unternehmen haben sich in einer Handvoll Dörfer an den Ufern des Lac de Joux oder in der Nähe davon angesiedelt. Die inoffizielle Hauptstadt des Tals und der Uhrenindustrie ist Le Sentier im Bezirk Chenit.
Die Manufaktur von Jaeger-LeCoultre im Vallée de Joux © PR
Jaeger-LeCoultre wurde dort 1833 von Antoine LeCoultre gegründet. Im Jahr 1866 war die Fabrik LeCoultre (die Marke Jaeger-LeCoultre entstand 1937 mit der Reverso) die erste im Tal, die alle Vorgänge zur Herstellung ihrer Uhrwerke unter einem Dach vereinte. Bis dahin folgte die gesamte Uhrenindustrie im Jouxtal dem System der Etablissage, bei dem die einzelnen Arbeitsschritte in verschiedenen Ateliers oder durch Einzelpersonen in Heimarbeit durchgeführt wurden. Etwa zur gleichen Zeit begann LeCoultre komplizierte Uhren herzustellen. Heute besitzt das Unternehmen eine riesige Fabrik, die 2009 mit einem 9.000-Quadratmeter- Anbau erweitert wurde, womit sich die Gesamtfläche auf 25.000 Quadratmeter erstreckt. Rund 1.300 Menschen arbeiten für Jaeger-LeCoultre, dem größten Arbeitgeber im Vallée de Joux. Die meisten davon, wie bei allen Uhrenfirmen im Jouxtal, leben in Frankreich und pendeln jeden Tag die wenigen Kilometer über die Grenze.

Vallée de Joux, Tal der Komplikationen

Komplikationen haben das Hochtal bekannt gemacht. Bereits im 18. Jahrhundert begannen Uhrmacher diese zu fertigen. Timothée Golay, Abel Golay, Rochat Frère und Philippe-Samuel Meylan waren nur einige der vielen Spezialisten des späten 18. und frühen 19. Jahrhunderts. Sie und die Uhrmacher, die ihnen folgten, sind der Grund, weshalb das Vallée de Joux auch das "Tal der Komplikationen" genannt wurde. Die bekanntesten ihrer Kreationen waren absolute Wunderwerke, wie beispielsweise La Merveilleuse (von Charles Ami LeCoultre Piguet, 1878), La Fabuleuse (Louis Elisée Piguet, 1902), die Leroy 01 (Charles Émile Piguet, 1904) und die Universelle für Dürstein Glashütte (Audemars Piguet, 1899). Heute wird von vielen Unternehmen im Jouxtal diese Tradition weitergeführt.

Hier geht es weiter mit den Schweizer Uhren aus dem Vallée de Joux

Das bekannteste unter ihnen ist das Familienunternehmen Dubois Dépraz, das im Jahre 1901 gegründet wurde und in Le Lieu ansässig ist. Dubois Dépraz macht Chronographen-Module, Repetitionsmechanismen, Ewige Kalender und andere komplexe Mechanismen. Die LVMH-Gruppe besitzt ebenfalls eine Fabrik in Le Sentier.

Haute Horlogerie aus dem Vallée de Joux

Der Uhrenmarke Bulgari gehört das ehemalige Philippe Dufour sein Atelier. Er ist der bekannteste noch lebende Uhrmacher im Tal. Dufour gründete seine Werkstatt 1974 und begann mit der Restaurierung alter komplizierter Uhren, von denen die meisten im Vallée de Joux hergestellt wurden. Im Jahr 1992 präsentierte er die erste Uhr unter seinem eigenen Namen: eine Grande Sonnerie mit Minutenrepetition. Seitdem macht er nur Uhren für seine eigene Marke.
Uhrmacher Philippe Dufour in seinem Atelier im Vallée de Joux © PR
In der Nähe des Ateliers befinden sich drei alte so genannte Uhren-Farmen. Bis Anfang des 20. Jahrhunderts lebten die meisten Menschen im Vallée de Joux als Bauern. Aber der Boden war schlecht und die Winter lang. Um ihr Einkommen aufzustocken, verbrachten die Bauernfamilien die langen Wintermonate damit, Uhren oder Komponenten zu bearbeiten. Ihre Ateliers befanden sich auf der oberen Etage der Häuser, die eine Reihe von Fenstern hatte, um genügend Licht hereinzulassen und um eine möglichst geringe Staubentwicklung zu garantieren. Diese Fenster sind ein Kennzeichen der "Uhren-Farmen". Es gibt heute nur noch etwa 25 solcher Gebäude im Tal. Der Ort Le Brassus liegt südwestlich von Le Sentier. Der Luxusuhren-Boom hat mehr Neubauten hierher gebracht als an jeden anderen Ort im Vallée de Joux.
Wiege der Uhrmacherei im Vallée de Joux sind die Bauernhöfe © PR
Im Jahr 2008 baute Audemars Piguet eine neue High-Tech-Fabrik mit 12.200 Quadratmetern Fläche. Das Gebäude vereint verschiedene Fertigungsschritte, die bis dahin im ganzen Tal verstreut waren. Die Fabrik befindet sich in der Rue des Forges, benannt nach den Schmiedewerkstätten, die sich früher einmal dort angesiedelt hatten. Audemars Piguet wurde 1881 von zwei jungen Uhrmachern, Jules-Louis Audemars und Edward-Auguste Piguet, offiziell gegründet. Da die beiden schon seit 1875 zusammenarbeiteten, wird dieses Jahr von der Marke als Gründungsjahr angegeben. Im 19. Jahrhundert war Audemars Piguet spezialisiert auf die Herstellung von komplizierten Taschenuhren und ersten Armbanduhren für Fremdmarken und Einzelhändler wie Cartier. Im frühen 20. Jahrhundert begann das Unternehmen vermehrt Uhren unter eigenem Namen herzustellen. Im Jahr 2002 hat Audemars Piguet das Luxushotel "Hôtel des Horlogers" renoviert, damit Kunden und Besucher einen geeigneten Ort zum Übernachten finden.
Im Vallée de Joux zu Hause: Audemars Piguet © PR
Ebenfalls in Le Brassus beheimatet ist Patek Philippe. Das renovierte Fabrikgebäude wurde im Jahr 2010 eröffnet. Dort arbeiten etwa 25 Uhrmacher an Ewigen Kalendern, Minutenrepetitionen und an der Reparatur von diesen und anderen komplizierten Patek-Uhren. Die neue Fabrik von Vacheron Constantin wurde im Jahr 2013 eröffnet. Etwa 200 Menschen arbeiten in dem 7.000 Quadratmeter großen Gebäude an neuen Werken und Komponenten. Blancpain hat seinen Sitz in einem alten Bauernhaus in Le Brassus. Dort finden die Montage und Finissierung der Werke statt. Die Uhrenmarke, die heute zur Swatch Group gehört, wurde in Villeret im Saint-Imier-Tal gegründet. 1983 wurde sie von Jacques Piguet, Inhaber des Werkeherstellers Frédéric Piguet, und Jean-Claude Biver erworben. Sie siedelten Blancpain nach Le Brassus um. Frédéric Piguet, in Le Sentier beheimatet, stellte die Uhrwerke für die Marke her. Die Swatch Group kaufte beide Unternehmen im Jahr 1992. Die Frédéric-Piguet-Fabrik in Le Sentier ging 2010 in Blancpain auf und nennt sich jetzt Blancpain Manufacture. Neben Le Brassus liegt der Ort L'Orient, wo Montres Breguet seine Uhren herstellt. Das Unternehmen ist ein Beispiel dafür, wie das Geld der großen Luxusgruppen, in diesem Fall der Swatch Group, die Uhrenindustrie im Tal verändert hat. Als die Swatch Group 1999 Breguet gekauft hatte, zusammen mit dem Werkehersteller Nouvelle Lemania ( jetzt Manufacture Breguet), hatte die Marke etwa 40 Millionen Schweizer Franken Umsatz. Heute beläuft sich der geschätzte Umsatz auf 700 Millionen Schweizer Franken (die Swatch Group offenbart keine Verkäufe der einzelnen Uhrenmarken). Die Zahl der Arbeiter hat sich seit 2008 auf mehr als 800 verdoppelt.

Unverzichtbar für Schweizer Uhren: Werke aus dem Vallée de Joux

In Les Bioux, am Lac de Joux gelegen, hat die Eta SA ihre Fabrik. Hier wird das berühmte Chronographenkaliber 7750, auch bekannt als Valjoux 7750, gefertigt. Das Unternehmen Valjoux SA wurde vor mehr als einem Jahrhundert in Les Bioux von den Brüdern Charles und John Reymond gegründet. 1944 kaufte Ebauches SA das Unternehmen Valjoux. Ebauches SA wurde 1983 Teil der SMH, der heutigen Swatch Group.
Vallée de Joux - das Tal der Uhren auf einen Blick © PR
Ein paar Kilometer nordöstlich entlang des Seeufers liegt das Dorf L'Abbaye, Sitz der Breguet-Zentrale und der Verwaltungsbüros. Das Dorf ist nach der Abtei benannt, die 1116 gegründet wurde. Es war die erste bekannte Siedlung im Vallée de Joux. Die Mönche bearbeiteten die Felder, und über Generationen ließen sich die Menschen aus anderen Teilen des Jura nieder, um Kühe zu züchten, zu fischen und um ein paar magere Ernten einzubringen. Der wirtschaftliche Fortschritt war langsam, und über Hunderte von Jahren änderte sich nicht viel. Doch mit dem Aufkommen der Uhrenindustrie hat sich das Tal in nur einem Jahrhundert einem kompletten Wandel unterzogen, der bis heute anhält. Text: Katrin Nikolaus Fortlaufend aktualisierter Artikel, ursprünglich online gestellt im Juni 2015

Web Special: Certina - Die neuen Uhren

Seit über 130 Jahren widmet sich Certina der anspruchsvollen Schweizer Uhrmacherkunst.

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