Bei mir war es Liebe auf den ersten Blick. Als ich die neue Carrera Chronograph zum ersten Mal in der Hand hielt – auf der Watches and Wonders im April 2024 in Genf –, war ich hin und weg. Fast hätte ich mir keine anderen Uhren mehr anschauen wollen (aber so professionell bin ich dann doch). In den letzten Jahren ist mir schon öfters aufgefallen, dass ich die neuen, kleineren Chronographen viel schöner finde als größere. Aber bei der TAG Heuer war dieses Gefühl besonders stark. Ich wollte wissen, warum. Aber auf der Messe war keine Zeit dazu: ein paar Fotos, ein kurzes Handyvideo, dann musste ich sie an meinen Nachbarn weitergeben. TAG Heuers Messehighlight war eigentlich der Monaco Split-Seconds Chronograph, aber mir ging die kleine Carrera mit dem Panda-Zifferblatt nicht mehr aus dem Kopf. Ich muss sie wiedersehen, dachte ich, noch als ich den Messestand verließ, um zur nächsten Marke zu pilgern.
Ein Hands-On wäre ein guter Anlass für ein Wiedersehen. Ich bestellte sie mir und durfte sie für zwei Wochen behalten. Zwei Wochen im Himmel. Würde sie mir dieses Mal auch noch so gut gefallen? Als das Paket kam, schlug mein Herz höher. Aber ich war auch ein bisschen nervös. Was, wenn im Paket nicht die richtige Uhr wäre? Doch die Sorge war unbegründet. Ich erkannte sie sofort wieder. Das Bicompax-Gesicht im Panda-Look, die sanft gerundete Lünette, die fast pilzförmigen Drücker.
Perfekte Proportionen
Mir war schnell klar: Die Schönheit der Panda – ich nenne sie ab jetzt Panda, um sie von ihren gleichnamigen, aber ganz unterschiedlich aussehenden Schwestern in Blau und Schwarz zu unterscheiden – resultiert in erster Linie aus den Proportionen. Die Größen und Durchmesser von Gehäuse, Zifferblatt und Hilfszifferblättern sind optimal aufeinander abgestimmt, die Zeigerlängen passen. Ich habe nicht nachgerechnet, ob sich da irgendwo ein Goldener Schnitt verbirgt, aber überraschen würde es mich nicht. Jede wahre Schönheit muss irgendwo einen Twist haben, zu glatt darf es nicht sein. Für mich ist dieser Twist bei der Carrera Chronograph das Nebeneinander des konkaven Rehauts zum konvex gestalteten Außenrand. Während letzterer nach außen nur leicht und harmonisch abfällt, erinnert das silberne Rehaut eher an die Steilkurve einer Radrennbahn.
Außenrand statt Lünette
Der Außenrand sieht aus wie eine Lünette, ist aber keine, denn er sitzt unter dem Deckglas in Boxform. Oft wählen Uhrenhersteller heute dieses Boxglas, um von der Seite zusätzliche Einblicke auf Zifferblatt und Zeiger zu geben. Hier dient das vom Rand hoch aufsteigende Glas der besonderen Konstruktion mit diesem Außenrand. Und der erfüllt den Zweck der nichtvorhandenen Lünette: Im Fall der Carrera Chronograph (das Gesagte gilt auch für die Schwestern) ist das die Bedruckung mit einer Tachymeterskala.
Tachymeterskala mit einer kleinen Besonderheit
Schaut man genau hin, erkennt man auch hier etwas Ungewöhnliches: Eine Tachymeterskala endet in der Regel mit der 60 ganz oben, denn wenn der Sekundenzeiger des Chronographen das Zifferblatt zwischen zwei Kilometermarkierungen einmal umrundet, beträgt die Durchschnittsgeschwindigkeit exakt 60 km/h. Rechts von der 60 beginnt die Skala, aber da eine Beschriftung vor der 400 km/h-Marke sinnlos wäre, findet man dort oft ein Wort. Bei den klassischen Carrera-Chronographen war das meist der Begriff "Tachymètre" (bei der Porsche-Carrera ist es "Porsche"). Mit der Einführung der Boxglas-Carrera 2023 führte TAG Heuer die Skala aber über die 60 hinaus bis zur 55. Würde man die Skala weiterführen, würden die Abstände weiterhin immer größer werden, sodass man die 30 schließlich wieder ganz oben finden würde.
Um so etwas abzulesen, gab es früher schneckenförmige Tachymeterskalen. In den 1940er und 1950er Jahren liebte man Chronographen mit mehreren solcher Skalen: Tachymeter-, Telemeter- und Pulsometer nahmen nicht selten das gesamte Zifferblatt ein, mussten sich deshalb farblich unterscheiden und machten die Uhr trotzdem nicht gerade gut ablesbar.
Das Erbe des Jack William Heuer
Der Mann, der das änderte, was kein Geringerer als Jack Heuer. Der 1932 geborene Urenkel des Firmengründers Edouard Heuer brachte 1963 mit der ersten Carrera einen Chronographen heraus, der durch sein völlig entschlacktes Zifferblatt total modern wirkte. Der Trick lag darin, dass Heuer die Minuterie vom Zifferblatt auf das Rehaut, den schrägen Rand am Ende des Zifferblatts, verlagerte. Anders als bei der ein Jahr zuvor von Heuer eingeführten Autavia kam die Carrera sogar ohne Drehlünette und Ziffern aus. Zwar tat sich auf den vielen, vielen späteren Varianten der Carrera teilweise wieder mehr auf dem Zifferblatt, doch die Reduziertheit und die gute Ablesbarkeit gehören seit damals zu ihrer DNA.
Aufgeräumtes Zifferblatt
Das gilt auch für die Panda. Man sieht viel von ihrem silbernen Zifferblatt mit dem zarten, kaum sichtbaren Sonnenschliff, und die schwarzen Hilfszifferblätter mit den roten Zeigern heben sich klar davon ab. Uhrzeit- und Stoppfunktion sind visuell gut voneinander getrennt: Die schwarzen Totalisatoren gehören zum Chronographen – die 30-Minuten-Skala ist bei 3 Uhr, die 12 Stunden bei 9 Uhr, und alle Chronographenzeiger sind rot, auch die Spitze des zentralen für die Sekunden. Die kleine Sekunde hat bei 6 Uhr ihr eigenes Unterzifferblatt. So muss man nicht, wie bei vielen anderen Chronographen, erst einmal suchen, welche Anzeige wofür da ist. In der kleinen Sekunde ist dann auch das Datumsfenster gut aufgehoben: Es stört die Symmetrie nicht und lässt sich noch gut ablesen.
Das 39 mm große Gehäuse hat, wie ich finde, die perfekte Größe für diese Uhr. Seine Form ist eher no-nonsense, also sachlich und völlig OK. Nicht wirklich aufregend, aber durch die facettierten Hörner doch wiedererkennbar. Der Kontrast, den die satinierten Flanken zum polierten Rest bilden, wird vom dreireihigen Edelstahl-Gliederband wieder aufgenommen.
Auch ein Highlight: die Chronographendrücker
Viel spannender und für mich ein weiterer Höhepunkt sind die interessant geformten Drücker mit ihren griffmuldenartigen Vertiefungen auf der Oberseite. Ihr Druckwiderstand ist nicht zu stark und nicht zu schwach, somit macht das Bedienen Freude. Sie nehmen eine schlichte, aber griffige Krone in die Mitte, die ihnen nicht die Show stiehlt und die standesgemäß mit der reduzierten, buchstabenlosen Variante des TAG-Heuer-Logos verziert ist.
Der Blick durch den verschraubten Glasboden lohnt sich ebenfalls: Das In-House-Kaliber Heuer 02 (Ref. TH20-00) ist mit Genfer Streifen verziert und verfügt über die neue skelettierte Schwungmasse mit dem stilisierten Heuer-Schild. Das Schaltrad, das die Chronographenfunktionen steuert, ist freigelegt: Beim Drücken des Start-Stopp-Drückers sieht man jedes Mal, wie es sich um eine Position weiterdreht. Eine Eigentümlichkeit hat das Werk allerdings: Vor dem Datumswechsel um Mitternacht setzt sich die Datumsscheibe schon bald nach 21 Uhr in Bewegung. Ist es zum Beispiel die Nacht vom 12. auf den 13., sieht man ab 23 Uhr für eine Stunde nur noch die 2 im Fenster, bevor dann kurz nach Mitternacht der plötzliche Sprung auf die nächste Zahl erfolgt (siehe Video). Das mag nicht jedem gefallen, es stört aber auch nicht wirklich.
Zur Familie der Carrera Chronograph gehört auch die Variante im "Dato"-Design.
Freude beim Tragen
Es macht Spaß, die Panda zu tragen: Die Hörner sind gerade so weit heruntergezogen, dass die Uhr perfekt am Handgelenk anliegt; so ergibt sich auch eine elegante Linie von den Hörnern zum Armband. Dieses lässt sich dank der Einfach-Faltschließe und zwei Drückern zum Öffnen problemlos an- und ablegen. Zur schönen Optik passt also auch die angenehme Haptik.