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17 Minuten

Interview mit IWC-Designchef Christian Knoop

Christian Knoop, IWC Design-Chef
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Bei IWC ist Redesign ein ständig wiederkehrendes Thema. Alle paar Jahre erfährt jede der sechs Produktlinien Aquatimer, Ingenieur, Da Vinci, Portofino, Portugieser sowie die Fliegeruhren-Familie ein Facelift. Was geändert werden und was bleiben muss, sagt Design-Chef Christian Knoop (Artikel aus Chronos Special Design 2013/2014).
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IWC-Creative-Director Christian Knoop © PR
Es gibt bei IWC insgesamt sechs Produktlinien, und jede erhält alle paar Jahre ein Facelift. Wie gehen Sie an dieses Thema heran? Bei der Entwicklung von neuen Uhren verfolgen wir einen eher evolutionären Ansatz. Die sechs Produktlinien sind alle tief in der Historie von IWC Schaffhausen verwurzelt. Wir haben ihre jeweiligen Designmerkmale strukturiert und möchten diesen stets treu bleiben. Gleichzeitig wollen wir das jeweilige Produkt in einem gewissen Zyklus weiterentwickeln und erneuern, ohne dabei dessen Geschichte und Tradition aus den Augen zu verlieren. Nicht zuletzt geht es darum, den Kunden zu überraschen. Die Balance zu finden zwischen der Konsistenz im Design und diesem Überraschungseffekt, das ist die große Herausforderung für uns; das ist das Spannungsfeld, in dem wir uns als Gestalter bewegen. Wenn wir an eine Uhrenkollektion herangehen, ist es für uns zentral, dass sich die typische Formensprache, die Designcodes wiederfinden. Teilweise ergibt sich über neue Materialien oder neue Uhrwerke die Situation, dass wir ein neues Design schaffen müssen. Die ersten Fliegeruhren aus den vierziger Jahren waren mit Handaufzugswerken ausgestattet und besaßen in der Regel drei Zeiger. Betrachtet man die Fliegeruhrenlinie heute, dann besteht sie aus Automatikuhren und Chronographen. In diesen Fällen muss das Design allein der Funktion wegen anders interpretiert und aufgrund verschiedener Faktoren wie der Dimension, zusätzlichen Drückern oder Anzeigen auf dem Zifferblatt geändert werden. Das war auch 2013 die Herausforderung für die Überarbeitung der Ingenieur-Linie: Neben dem klassischen Automaten gibt es hier nun Chronographen, Tourbillons, digitale ewige Kalender. Und die müssen in die Formensprache der Ingenieur von IWC übersetzt werden. Bleiben wir bei der Ingenieur: Welche historischen Modelle nehmen Sie sich bei dieser Linie als Vorbilder? Die erste Ingenieur von 1955 war eine relativ normale Drei-Zeiger-Uhr. 1976 folgte aber der berühmte Entwurf von Gérald Genta mit den fünf typischen Bohrungen auf der Lünette. Die erste Ingenieur von 1955 war technisch gesehen ein echter Meilenstein für uns, denn sie war die erste Automatikuhr von IWC. Darüber hinaus war sie die erste Nicht-Fliegeruhr mit einem Weicheisen-Innenkäfig zum Schutz gegen Magnetismus. Das Design hingegen war im typischen Fünfziger-Jahre-Stil gehalten: sehr schlicht, rund, drei Zeiger. Und damit eigentlich wenig originell, denn sie sah aus, wie damals alle Uhren aussahen.
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 Schon die erste Ingenieur von 1955 (links) verfügte über einen Weicheisen-Innenkäfig zwecks Magnetfeldschutz. Zum Design-Vorbild für heutige Modelle avancierte aber erst die 1967 von Gérald Genta gezeichnete Ingenieur SL
Damals haben die Uhrenproduzenten versucht, jedem Kunden etwas zu bieten, wie ein Bauchladen. Daher sahen Uhren ähnlich aus, auch wenn sie von verschiedenen Herstellern stammten. Man dachte noch nicht an so etwas wie Wiedererkennbarkeit. Dieser Aspekt der Identität ist hochinteressant und für mich das Wichtigste beim Design. Denn Design ist nicht willkürlich, sondern stiftet eine Identität für ein Produkt und eine Marke. Und das hat Gérald Genta 1976 geschafft: dem Produkt ein Gesicht und einen Charakter zu geben. Das ist eine besondere Leistung. Gerade heute, wo immer mehr Marken in den Markt drängen, nimmt der Aspekt des Charakters an Wichtigkeit zu. Deshalb ist das Design, auf das wir uns heute beziehen, das von Gérald Genta und nicht das aus den Fünfzigern. Dementsprechend haben wir als Guideline für unser Redesign bestimmte Elemente von Genta aufgenommen, etwa die grundsätzliche Gehäuseform, bei der sich die runde Lünette in das eckige Gehäuse einfügt. Wir haben auch das Band-Design in den Grundzügen übernommen; es ist heute nur ein bisschen technischer als damals. Typisch sind vor allem die fünf Löcher auf der Lünette. Bei Genta waren sie funktional: Sie dienten dazu, dort ein Werkzeug anzusetzen, um die Glasdichtung zu positionieren. Dieses Thema nehmen wir auf, interpretieren es aber anders. Die Lünette ist immer noch als Ingenieur-Lünette erkennbar. Wir tragen sie aber bei einigen Modellen auf den nächsten technischen Level, indem wir Keramikschrauben einsetzen. Die gehen bei den Karbon- und Keramikmodellen durch das Gehäuse hindurch und bieten so den funktionalen Aspekt, den Sie ansprechen.
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Aus der Ingenieur-Kollektion 2013: Automatik-Basismodell, digitaler ewiger Kalender, Constant-Force Tourbillon
Einige der neuen Modelle besitzen diese Schrauben, andere die klassischen Bohrungen. Sind auch diese funktional wie früher? Sie sind insofern funktional, als die Lünette darüber positioniert wird. Verschraubt wird sie aber von hinten; sie wird nicht mehr eingedreht. Dadurch ist die Position der fünf Bohrungen immer gleich, ähnlich wie bei den Lünettenschrauben der Royal Oak von Audemars Piguet. Ja, genau so. Bei der Version von Gérald Genta dagegen saßen die Bohrungen mitunter schief. Das war einer der Nachteile, deshalb haben wir uns von dieser Konstruktion gelöst. Eine Ausnahme bildet das Constant-Force Tourbillon: Dort wirkt die Position der Bohrungen asymmetrisch, weil sich oben bei der Zwölf keine befindet. Warum haben Sie das so gelöst? Sie hätten die Hilfszifferblätter kleiner gestalten können. Wir haben es beim Ingenieur Constant-Force Tourbillon mit einem großen Handaufzugswerk zu tun, in das wiederum ein großes Tourbillon platziert ist. Hier war eine Sonderlösung im Glas unumgänglich. Das Gleiche gilt für den Bereich der Hilfszifferblätter, bei denen sonst Informationen abgeschnitten würden. Was die Position der Bohrungen betrifft, haben wir viele Varianten getestet, und bei allen hätten wir auf eine Bohrung verzichten müssen, sodass wir uns zu weit vom Design der Ingenieur wegbewegt hätten. So haben wir uns entschlossen, die fünf Bohrungen zu erhalten, aber das Ganze um 90 Grad zu drehen. Wenn IWC ein kompliziertes Werk mit verschiedenen Funktionen entwickelt, inwieweit können Sie da von Anfang an Einfluss nehmen? Wir sind in alle Werkentwicklungen involviert und besprechen gemeinsam mit unseren Konstrukteuren auch das Design der Brücken und die Position der Anzeigen. Wenn ein neues Werk entwickelt wird, definiert man, auf welche Uhrenlinie das geht, wo die Anzeigen liegen müssen. Auch dann, wenn es ein technisches Basisdesign für die Brücken und die Positionen der Zahnräder gibt, sind wir am Design des Werks beteiligt mit dem Ziel, dass Uhr und Werk anschließend eine Einheit bilden. Das war beispielsweise wichtig bei der Portofino Handaufzug Acht Tage. Dort gab es ein neues Werk, das in die betreffende Uhr passen musste, auch von der Gestaltung her. Das Gleiche gilt für die Ingenieur: Beim Constant-Force Tourbillon haben wir im Prinzip ein sehr technisches Brückendesign und Oberflächenfinish, das zur gesamten Uhr passt. Beim digitalen ewigen Kalender wiederum passt das rutheniumbeschichtete Werk mit seiner speziellen Schwungmasse sehr gut zum Titanaluminid-Finish des Gehäuses, sodass Produkt und Werk sich als eine Einheit anfühlen.
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IWC Design-Entwicklung © PR
Was sind Dinge, die beim Redesign nicht angetastet werden dürfen? Wir haben 2012 das gesamte Corporate Design von IWC Schaffhausen überarbeitet. Zu diesem Anlass haben wir ein Brand Book erstellt, in dem auch die Designcodes der Produkte erfasst wurden. Im Falle der Ingenieur sind es fünf Punkte, die wir beibehalten wollen: das eckige Gehäuse, die Lünette mit den fünf Bohrungen beziehungsweise Schrauben, das markante Ingenieur-Armband, die Form der geraden Zeiger sowie die Form der geraden, eckigen Appliquen. All das gehört für uns zum Design einer Ingenieur von IWC. Innerhalb dieser Vorgaben erlauben wir uns schon einmal, die Zeigerform zu variieren oder Ziffern auf zwölf und sechs Uhr einzusetzen. Trotzdem bleibt spürbar, dass diesen Uhren der gleiche Geist und die gleiche Formensprache zugrunde liegen. Die oben genannten Elemente sollen nicht dazu dienen, alle Uhren gleich zu machen, sondern sie sollen eine Art Leitfaden bilden für die Gestaltung, dabei aber Interpretationen und Überraschungen erlauben. Es ist ähnlich wie in der Automobilindustrie, wo Designcodes definiert sind, aber trotzdem eine E-Klasse anders aussieht als eine A-Klasse und wo mit diesen Designcodes und unterschiedlichen technischen Plattformen gespielt wird. Mit Designcodes meinen Sie die der jeweiligen Linie, nicht die Designcodes der Marke IWC als solche? Ja, die Designcodes der Linie. Gibt es nicht auch einen Gesamt-Designcode von IWC? Insgesamt liegt unserer Gestaltung ein sehr technischer, puristischer, maskuliner Ansatz zugrunde. Das ist das Versprechen, das sich auch in unserem Claim „Engineered for men“ wiederfindet. Ebenso findet es sich wieder in den Farbcodes und der Zifferblattaufteilung. Die Ursprünge, die IWC als eine technisch orientierte Marke hat, die unter anderem Uhren für professionelle Anwender produziert hat, ist nach wie vor in den Produkten spürbar. Selbst dort, wo wir klassisch werden, wie bei einer Portofino, gibt es immer noch dieses Puristische. Unser Design ist nie verspielt. Es hat immer diese gewisse Schlichtheit an sich, diese Zeitlosigkeit. Ich bin überzeugt, es ist das, was IWC von anderen Marken unterscheidet und was unsere Kunden an IWC schätzen.
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"Engineered for men" lautet der Claim von IWC. Auch in der Kommunikation unterstützen Technik-Motive das maskuline Image
Sie sprechen von Überraschungseffekten. Hätten Sie ein Beispiel? Zum Beispiel die Einführung der Fliegeruhr Top Gun Miramar: Dort haben wir das Thema Militäruhren neu interpretiert. Wir haben nicht nur getreu den klassischen Designcodes gearbeitet, sondern etwas Neues eingeführt. Auch mit dem Relaunch der Portofino und dem Manufakturwerk mit Handaufzug haben wir ein Statement gesetzt, das für viele unserer Kunden nicht unbedingt vorhersehbar war und das gleichzeitig positiv aufgenommen wird. Ein weiteres Beispiel sind die Materialien und die zum Teil sehr technischen Werkfunktionen, die ihren Platz in der neuen Ingenieur-Linie gefunden haben. Es ist wichtig, dass man seinen Wurzeln treu bleibt, dabei aber versucht, die nächste Stufe zu erreichen, und auch die Grenzen austestet.
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Überraschende Momente: Top Gun Miramar, Portofino Handaufzug 8 Tage, Kaliber 94800 des Constant-Force Tourbillon
Die Ingenieur-Modelle, die in diesem Jahr vorgestellt wurden, sind auf den ersten Blick sehr unterschiedlich. Die komplizierteren Uhren unterscheiden sich stark voneinander und erst recht vom Basismodell. Letzteres wiederum scheint in der Kommunikation eher im Hintergrund zu stehen; auf der Website sieht man es erst einmal gar nicht, sondern muss sich zur zweiten Ansicht durchklicken. Wird denn eine Kollektion nicht von so einem Basisprodukt definiert? Dass es sich auf unserer Website so darstellt, könnte an der Anzahl der Referenzen liegen. Die Ingenieur Automatic ist aber nicht im Hintergrund, denn diese Uhr werden wir wahrscheinlich in größeren Stückzahlen verkaufen als einen digitalen ewigen Kalender oder ein Constant-Force Tourbillon. Auch werden nur wenige Händler diese exklusiveren Stücke haben. Das heißt, das Bild, das auf der Website gezeichnet wird, ist nicht unbedingt repräsentativ für das, was der Kunde am Point of Sale wahrnimmt. Und natürlich sind diese Basisreferenzen wichtig, da stimme ich Ihnen zu. Es ist aber auch wichtig, dem Thema Ingenieur wieder neues Leben einzuhauchen. Denn dies ist eine Uhrenlinie, die wie kaum eine andere für die Marke IWC und ihre Werte steht, im Sinne von technischem und maskulinem Design. Dem neues Leben einzuhauchen, geht nur über neue Technik. Ingenieur, das hat etwas mit Engineering zu tun, mit Erfinden, mit neuen Materialien. Auch hier wiederum ist es vergleichbar mit der Automobilindustrie, wo man in der Oberklasse neue Techniken einführt, aber die meisten Leute dann doch eine A- oder B-Klasse kaufen. Das Ingenieur-Redesign von 2005 war nicht sehr erfolgreich, weil die Uhr von vielen als klobig empfunden wurde. Ein Grund dafür war die Verbindung aus Manufakturkaliber – das höher baut als ein Eta-Werk – und Magnetfeldschutz mit Weicheisenkäfig. Jetzt haben Sie darauf reagiert: Das Basismodell besitzt einen Weicheisenkäfig, muss aber mit einem Eta-Werk auskommen und ist dafür nur 10 statt 14,5 Millimeter dick. Demgegenüber haben Sie bei den Uhren mit Manufakturkaliber auf den Weicheisenkäfig verzichtet. Die Dicke spielte in der Tat eine wesentliche Rolle. Die Zeiten haben sich aber auch insofern verändert, als das Thema Manufakturwerk heute für viele Kunden wichtig ist. Dazu kommt, dass viele Kunden das Werk auch sehen wollen. Auch deswegen haben wir uns teilweise für den Glasboden entschieden statt für den Weicheisenkäfig.
Zurück zum Redesign, das für Sie praktisch jedes Jahr für eine neue Linie ansteht. Welche Art Vorgaben gibt es da aus der Geschäftsleitung? Ich arbeite eng mit unserem CEO Georges Kern zusammen. Er ist sehr designaffin und stark in das Thema involviert. Immer, wenn er im Hause ist, kommt er auch in die Designabteilung. So werden viele Ideen geboren und auf einem direkten und informellen Level ausgetauscht und geprüft. Mit den Briefings ist es ähnlich: Wenn wir darüber nachdenken, eine neue Linie zu entwickeln, dann ist das zunächst eher eine Vision als ein schriftliches Dokument. Und dann nähert man sich dem Ganzen Schritt für Schritt an. Allerdings verläuft der Designprozess nicht immer linear. Manchmal braucht das richtige Produkt auch den richtigen Moment. Ein gutes Beispiel dafür war 2010 die Portugieser Yacht Club Chronograph: Da stand seit Längerem fest, dass man etwas bringen wollte, was von den IWC-Modellen Yacht Club, Polo Club und Golf Club aus den sechziger und siebziger Jahren inspiriert war. Doch bis die Entscheidung fiel, die neue Yacht Club Chronograph in die Portugieser-Linie zu integrieren, vergingen einige Jahre. In der Zwischenzeit hatte man verschiedene Szenarien durchgespielt: das Produkt in einer anderen Linie zu bringen, eine eigene Linie dafür zu gründen, teilweise mit sehr unterschiedlichen Designs – zum einen viel technischer und sportlicher, zum anderen klassischer. Nicht immer läuft es so geradlinig, dass man ein Briefing hat und zwei Jahre später eine neue Linie lanciert wird. Und woran liegt es dann, wenn etwas in der Schublade liegen bleiben muss? Das kann verschiedene Gründe haben. Die Machbarkeit kann ein Grund sein; manchmal muss man aber auch entscheiden, dass man eine Produktlinie erst mal kompakt lässt und sagt: Diese Idee macht erst zu einem späteren Zeitpunkt Sinn, wir möchten die Linie jetzt nicht zu stark ausweiten. Manchmal arbeiten wir auch mit neuen Materialien und Technologien, sodass die Marktreife zum Zeitpunkt X noch nicht gegeben ist. Das ist für die Designer, auch für die Konstrukteure und Entwickler immer eine harte Entscheidung, denn natürlich will jeder sein Produkt und seine Idee am Markt sehen. Wir sprachen vorhin über Elemente, die nicht angetastet werden dürfen. Was sind denn umgekehrt Dinge, die verändert werden müssen, wenn es zum Redesign kommt? In dem Moment, in dem ein neues Werk ins Spiel kommt, muss man auch die Proportionen hinterfragen. Wir arbeiten eng zusammen mit unserer Qualitätsabteilung, die uns Feedback aus den vergangenen Kollektionen gibt und uns sagt, welche Details wir verbessern müssen. Zusätzliches Feedback kommt von den Märkten: Wir lesen die entsprechenden Foren, wir nehmen Wünsche und Ideen von unseren Sammlern auf.
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Orientierungspunkt der heutigen Fliegeruhren: Die Große Fliegeruhr von 1940 (links), die IWC an die deutsche Luftwaffe lieferte, ist auch nach über 70 Jahren kaum verändert
Sie haben vorhin den Begriff „zeitlos“ gebraucht. Kann es überhaupt ein zeitloses Design geben? Zeitloses Design würde für mich immer bedeuten, dass man sich stark an den Archetypen eines Produkts hält. Und wenn ich mir unsere zwei erfolgreichsten Linien anschaue – die Portugieser und die Fliegeruhren –, dann sind beide sehr nah an der Grundform der klassischen Armbanduhr. Ich glaube, dass die Klientel, die diese Produkte kauft, genau diese Zeitlosigkeit schätzt, und darum auch eine Marke wie IWC Schaffhausen. Im Zusammenhang mit der Ingenieur ist das eine interessante Diskussion, da die 1976er Version von Gérald Genta als solche kein zeitloses Design darstellt, sondern im typischen Siebziger-Jahre-Stil daherkommt. Gleichzeitig aber hatte die Ingenieur SL von Genta markante, ikonische Elemente, die die Zeit überdauert und die Uhr zu einer echten Designikone gemacht haben. Ein anderes Beispiel für Zeitgeist: abgerundete Ecken. Die waren vor ein paar Jahren völlig out. Jetzt findet man sie seit einiger Zeit wieder: etwa bei der Form des iPhone oder bei dessen App-Symbolen. Könnten auch solche Beobachtungen ins Uhrendesign einfließen? So etwas spielt weniger bei Uhren wie unseren eine Rolle als etwa im Bereich Markenkommunikation. So haben wir vor kurzem unser gesamtes Corporate Design überarbeitet, aufgefrischt und moderner, markanter und konsistenter gemacht.
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Was genau haben Sie verändert? Im Detail haben wir das IWC-Logo unter zwei Prämissen geändert: Zum einen ist der Schriftzug „IWC“ größer, das Wort „Schaffhausen“ kleiner geworden. Das hat den Vorteil, dass das Logo am Point of Sale oder bei Sponsorship-Projekten besser erkennbar ist. Gleichzeitig haben wir für das „Schaffhausen“ einen neuen, serifenlosen Schrifttyp gewählt, der bei kleinerer Schrift eine bessere Lesbarkeit und eine bessere technische Abbildbarkeit schafft. Das ist umso wichtiger, als wir auch auf der Uhr selbst nur wenig Raum für diesen Schriftzug haben. Außerdem haben wir die Schrift vereinheitlicht, das heißt, wir benutzen seit diesem Jahr für das Logo und all unsere Markenkommunikationselemente dieselbe Schrift. All diese Dinge haben Sie in dem oben erwähnten „Brand Book“ niedergelegt. Darin steht, welches Logo zu welchem Zweck verwendet werden muss. Dieses Buch hat verschiedene Kapitel. Das erste beschäftigt sich mit den Kernwerten der Marke und den Designcodes der Produkte. Im zweiten Kapitel geht es um die Corporate-Design-Elemente: vor allem um das Logo, die Farben, die Typografie der Marke, aber auch andere visuelle Aspekte wie Fotografie. Darüber hinaus gibt es verschiedene Kapitel, die die Auswirkung des Logos auf den Bereich Point of Sale beschreiben. Alles in allem ging es uns darum, ein einheitliches Corporate Design für die gesamte Marke zu schaffen, um ein einheitliches Bild nach innen wie nach außen zu tragen und dadurch wiederum unsere Markenidentität zu stärken. Dies bedingt natürlich nicht nur eine absolute Gestaltung, sondern auch die konsequente Anwendung. Bei den großen, erfolgreichen Marken geht es heute immer darum, der eigenen Herkunft treu zu bleiben. Man spricht auch gern von der „DNA“ der Marke. Der Grund, ein bestimmtes Produkt so und nicht anders zu machen, liegt meist in Vorbildern und Traditionen aus der eigenen Vergangenheit. Unter welchen Umständen können Sie heute etwas machen, für das es kein Vorbild in der Historie gibt? Das ist immer wieder ein Thema. Auch unsere Unternehmensgeschichte ist davon gekennzeichnet, dass man Dinge irgendwann einmal neu entwickelt hat. Das beste Beispiel ist die Da Vinci. Die erste Quarzuhr der IWC war eine Da Vinci, ebenso die erste Keramikuhr oder der erste ewige Kalender. Für die Marke ist es lebensnotwendig, neue Themen hineinzubringen und sich selbst zu beleben. Man muss aber diese Themen immer so auswählen, dass sie zur Marke passen. Das entscheidet dann auch über den Erfolg oder Misserfolg solcher Ideen. Unsere Klientel – oder auch die Klientel der anderen Marken – hat ein sehr feines Gespür dafür, ob etwas zur Marke passt oder nicht, auch wenn das unterbewusst abläuft. In den letzten Jahren haben wir viele neue Themen gebracht: neue Werke, neue Materialien, neue Details, teilweise auch neue Farben. Wichtig ist dabei immer, dass die Neuerungen glaubwürdig sind.
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Die Linie Aquatimer hat ein weniger klares Gesicht als Fliegeruhren oder Portugieser. Gibt es auch da ein historisches Modell, an dem Sie sich orientieren? Auch bei der Aquatimer gibt es bestimmte Designcodes: Formen von Zeigern, Appliquen, Gehäusen, auf die wir uns beziehen. Auch dort versuchen wir, diese Logik konsequent weiterzuführen. Gehört auch die Ocean 2000 zu dieser Geschichte? Die Ocean 2000 ist eine tolle Uhr. Ich persönlich habe einen Hintergrund im Industrial Design. Porsche Design ist eines meiner großen Vorbilder. Für mich gehört die Ocean 2000 mit zur Geschichte der Aquatimer. Die nächsten Aquatimer-Modelle werden wohl wieder ganz anders aussehen als die letzten? Wir verfolgen generell einen evolutionären Design-Ansatz, dennoch kann davon ausgegangen werden, dass die nächste Aquatimer-Generation wieder etwas anders aussehen wird. IWC galt früher als „deutsche“ Marke, ist heute aber viel stärker international ausgerichtet. Was bedeutet das fürs Design? Die Betonung des Technischen, Maskulinen und eines gewissen Purismus, das sind Markenwerte, die wir mit vielen Marken aus dem deutschsprachigen Raum teilen und mit denen viele dieser Marken erfolgreich sind. Diese Linie behalten wir bei, auch wenn unser Designteam international ist. Wir arbeiten für eine internationale Klientel; dennoch wollen wir unserem Design treu bleiben und nicht ein spezielles Design für Kunden aus bestimmten geografischen Bereichen schaffen.
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Man kann nicht dem Kundengeschmack hinterherlaufen, weil der Kunde gar nicht weiß, was er will, oder? Vor meiner Zeit bei IWC habe ich unter anderem für große Kunden im Konsumgüterbereich gearbeitet, wo man teilweise viel Konsumentenforschung betrieben hat. Man hat Fokusgruppen gebildet und viele Produkte untersucht – mit unterschiedlichem Erfolg. Bei IWC haben wir diese Philosophie nicht und sind bis jetzt damit ganz gut gefahren. Da bewegt sich die Uhrenindustrie wahrscheinlich nah an der Modeindustrie, an der Luxusindustrie, wo keine Umfragen gemacht werden, sondern wo man mit einem guten Gespür für die Marke und die Kunden Innovationen generiert. Erfolgreiche Modelle wie die Portugieser Automatik, der Portugieser Chronograph oder die Große Fliegeruhr sind seit Jahren nur minimal verändert worden. Man muss also nicht alle sechs Jahre alles komplett überarbeiten? Im Gegenteil: Bei den genannten Uhren nehmen wir sogar Proportionen und Gestaltungselemente auf und bringen sie auch bei anderen Modellen der Produktfamilie. Gerade die Große Fliegeruhr diente uns als Inspiration für die gesamte Classics-Linie innerhalb der Fliegeruhren-Kollektion. Die erste Fliegeruhr von IWC war 1936 die „Spezialuhr für Flieger“. Ikonen wurden aber die Große Fliegeruhr und die Mark XI. Heute hat man das Gefühl, dass die aktuelle Mark XVII – als Nachfolgerin der Mark XI – im Schatten der Großen Fliegeruhr steht. Wir benutzen die Zeigerform, die aus der Großen Fliegeruhr kommt, jetzt bei allen Fliegeruhren, weil wir der Auffassung sind, dass diese Form ikonischer ist. Ähnlich wie die Nieten auf den Bändern, die wir jetzt auch auf dem Doppelchronographen bringen. Auch wenn wir nicht die einzige Marke sind, die dieses Feature einsetzt, fungiert so etwas doch als identitätsstiftendes Element. Bei den Fliegeruhren ist jedes Teil historisch gerechtfertigt. Das Gehäuse ist so, weil es ein stabiles Gehäuse ist und man es mit den damaligen Fertigungsmethoden einfach und effizient herstellen konnte. Im Innern befindet sich ein Taschenuhrwerk, weil das robuster und präziser war als ein Werk für Armbanduhren. Das Zifferblatt mit Militärspezifikationen ist auf nichts anderes getrimmt als auf die Ablesbarkeit bei Tag und bei Nacht. Das Gleiche gilt für die Zeiger. Die Krone ist zwiebelförmig, damit man sie mit Handschuhen bedienen kann. Und das Kalbsleberband mit Nieten war so ausgelegt, dass es möglichst robust und dauerhaft war. Die Große Fliegeruhr fasziniert durch pure Funktion. Diesen Spirit wollen wir lebendig halten.
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Schon 1936 hatte IWC die erste "Spezialuhr für Flieger" gebaut. Zum Maßstab für die Gestaltung späterer Fliegeruhren wurde aber erst die 1948 gebaute Mark XI. Sie lebt heute fort in der 2012 vorgestellten Mark XII. Die Ziffernform des 1992 erstmals gezeigten "Doppelchronographen" setzte sich nicht durch.
IWC hatte nie ein Problem damit, Ziffern anzuschneiden: Beim Ingenieur Constant-Force Tourbillon etwa ist von der zweiten Ziffer der Zwölf fast nichts mehr übrig. Und beim Portofino Chronograph von 2011 ist die römische Zwölf so angeschnitten, dass sie aussieht wie eine römische Sieben. Wird so etwas bei Ihnen kontrovers diskutiert? In solchen Fällen generieren wir Varianten in Form von Prototypen, und diese werden dann intensiv und durchaus kontrovers diskutiert. Unsere Philosophie besagt, dass wir uns letztlich für das Produkt mit dem ausgewogensten Äußeren entscheiden anstatt für das Produkt mit der konsequentesten Logik. Im Zweifelsfall also immer für das einzelne Produkt und für den Kunden, der die Uhr am Arm trägt, als für eine bestimmte Systematik.
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 Gretchenfrage angeschnittene Ziffern: Was manche Marken ganz vermeiden, nimmt IWC in Kauf. Grenzwertig wird es, wenn die römische Zwölf aussieht wie eine römische Sieben
Wie viel Prozent macht das Design beim Uhrenkauf aus? Wir bewegen uns in einem Bereich, in dem die Kaufentscheidung als solche eine sehr emotionale ist. Dabei spielt die Ästhetik des Produkts eine große Rolle. Darüber hinaus braucht heute kaum jemand mehr eine Armbanduhr zum rein funktionalen Zweck – schließlich sind wir umgeben von Uhren, speziell im digitalen Bereich, etwa bei Mobiltelefonen. Das heißt, da es für das Produkt – die Uhr – wenig rationale Argumente gibt, spielen die emotionalen eine umso größere Rolle. Und sicherlich ist das Design dabei von zentraler Bedeutung. Warum bringen Sie nicht einmal eine ganz neue Linie? Das ist aktuell nicht vorgesehen. Wir haben sechs sehr unterschiedliche Linien, die sechs sehr unterschiedliche Segmente im Markt ansprechen. Und um eine neue Linie zu bringen, müssten wir zum einen eine historische Rechtfertigung dafür haben und zum anderen auch ein interessantes Segment im Markt ausmachen.
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Fragen: Rüdiger Bucher Fotos: Eveline Perroud und IWC
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