In den letzten Jahren erlebte die Uhrenwelt mehrere Farbtrends. Es begann mit Blau - einem Ton, der sich längst als Klassiker etabliert hat - und setzte sich fort mit grünen Zifferblättern. 2019 scheinen der Vielfalt kaum noch Grenzen gesetzt zu sein. Guter Stil erschöpft sich also nicht mehr in Schwarz, Silber und Weiß. Bei den Kunden kommt der neue Farbenreichtum gut an.
Farben haben eine magische Kraft, sie können Emotionen auslösen oder verstärken, sind mit Gefühlen verknüpft und beeinflussen so – oft unbewusst – unser Wohlbefinden. Nur schwer kann man sich ihrem Einfluss entziehen, und so widmet die Psychologie dem Thema sogar ein eigenes Teilgebiet, die Farbpsychologie. Dabei untersuchen Experten, welche Wirkung unterschiedliche Farben auf unsere Stimmung und Wahrnehmung haben.
So wird Blau – übrigens die Lieblingsfarbe der meisten Männer und Frauen, – eine beruhigende Wirkung nachgesagt. Gelb ist das Gegenteil: Schon aus der Natur als Signalfarbe bekannt, wird sie bevorzugt im Bereich der Kommunikation eingesetzt. Rot wird hingegen mit intensiven Gefühlen assoziiert. Grün steht je nach Nuance für Outdoor und Militär (Khaki) oder für Rennfahrer-Schick (British Racing Green).
Während Farbe in der Fashionwelt und im Produktdesign seit jeher eine große Bedeutung hat, zeigten sich die Uhrendesigner lange eher zurückhaltend bei dem Thema. Anders als ein Kleidungsstück, welches man jede Saison erneuert, steht die hochwertige mechanische Uhr für Werterhalt über einen langen Zeitraum hinweg und soll gegen kurzlebige Trends gewappnet sein. Doch inzwischen wird Farbenvielfalt von Marken und Kunden positiv bewertet. Gerade junge Käufer sind längst daran gewöhnt, bei Kauf von Statussymbolen wie dem Smartphone eine Auswahl an Farben zu haben. Mit der neuen Farbenvielfalt wächst die Bedeutung der Uhr als Stil-Accessoire. Wer eine schwarze und eine blaue hat, möchte im Urlaub je nach Outfit womöglich eine rote oder gelbe tragen. So stimulieren die Hersteller mit ihrer neuen Farbenvielfalt die Nachfrage nach Uhren.
Blau ist das neue Schwarz
Alles begann mit der Farbe Blau. Sie hat in den letzten Jahren einen beeindruckenden Auftritt hingelegt. Kein Wunder, weist Blau doch eine schier unendliche Vielfalt von Schattierungen und Nuancen auf, die der Zeitanzeige eine ausdrucksstarke Bühne bietet. Die »blaue Phase«, die vor etwa fünf Jahren begann, hat sich mittlerweile fest neben den Evergreens Schwarz, Silber und Weiß etabliert. Die Auswahl neuer Modelle mit blauem Zifferblatt scheint schier unendlich, von IWC über Glashütte Original – beide übrigens Pioniere auf dem Gebiet – bis hin zu Breitling, TAG Heuer und Nomos Glashütte.
Auch wenn Blau bei farbigen Zifferblättern immer noch den Ton angibt, so zeichnet sich seit letztem Jahr auch eine Tendenz hin zu Grün ab. Diese steht im Einklang mit den aktuellen Fashion-Trends, die auf den internationalen Laufstegen präsentiert werden. Das Pantone-Institut, weltweit anerkannte Autorität für Farbe, hat die Töne »Pepper Stem« und »Terrarium Moss« in seinen »Fashion Color Trend Report« 2019 aufgenommen.
Daneben zeigen sich viele Uhrenmarken derzeit ausgesprochen experimentierfreudig und greifen tief in den Farbtopf: Zum Beispiel hat Chronoswiss seinem Klassiker, dem Regulator, in einer handwerklich superben Ausführung als Flying Grand Regulator mit einem Zifferblatt in hellem Gelb vorgestellt. Die feine Guillochierung verleiht dem außergewöhnlichen Ton zudem eine besondere Strahlkraft.
Farbdesign mit Geschichte
Gleiches gilt für die diesjährige Sonderedition der nachgefragten Vintage-Linie Sixties von Glashütte Original. Sie besteht aus der klassischen Dreizeigervariante und einem Modell mit Großdatum. Beide besitzen ein orangefarbenes Zifferblatt mit Degradé-Effekt, bei dem der Farbverlauf von leuchtendem Gelb in der Mitte über Orange bis hin zu Rot und Schwarz am Rand des charakteristisch gewölbten Zifferblatts reicht. Dieses Schauspiel verschiedener Schattierungen entsteht in Glashütte Originals hauseigener Zifferblattmanufaktur in Pforzheim. Nachdem das Antlitz der Uhr zunächst golden galvanisiert wird, wird manuell in mehreren Durchgängen rote und schwarze Farbe aufgebracht, wodurch ein individueller Farbverlauf entsteht, der jedes Stück zu einem Unikat macht. Zum Abschluss werden die Zifferblätter im Ofen erhitzt, um die Farben einzubrennen. Die Sixties entfaltet ihre Anziehungskraft jedoch nicht allein durch ihr Farbenspiel. Auch die reliefartige Oberflächenstruktur, die ihren Ursprung in der namensgebenden Dekade hat und mit einer Presse aus jener Zeit aufgebracht wird, trägt zur Ausstrahlung bei. Bei der Farbauswahl kommt die Geschichte zum Tragen: »Wir lassen uns von der reichen Historie unserer Zifferblätter der 1960er- und 70erJahre inspirieren«, wie es aus dem Unternehmen heißt. Zudem wolle man auch die Kompetenz und die damit verbundenen Möglichkeiten in der eigenen Zifferblattherstellung unterstreichen.
Ein weiterer, ausgesprochen kreativer Farbpionier hierzulande ist Nomos Glashütte. Bereits 2004 sorgte die Serie Super30 des Erfolgsmodells Tangente mit gleich 30 farbigen Zifferblättern – von Waldmeistergrün bis Bergbachblau – für Aufsehen. »Die auf je 100 Stück limitierten Uhren waren in kürzester Zeit ausverkauft, noch heute erinnern sich die Fachhändler an diesen überragenden Erfolg«, erzählt Heike Ahrendt, Leiterin des Produktmanagements. Die wohl »bunteste« Uhr des Hauses sei die Tetra, die bereits seit 2007 farbige Zifferblätter trägt.
Auch bei Nomos ist die Farbe Blau längst zum neuen Klassiker avanciert. Sie ist bei Kunden – Männern wie Frauen, Jung und Alt – so beliebt, dass die Berliner Nomos-Designer schon verschiedenste Blau-Nuancen entwickelt haben, von »Atlantikblau« über »Nachtblau« bis zum dunklen »Blauschwarz«. sz